Handeln – und zwar jetzt. Im Schweizer Ebenrain-Zentrum setzt man auf langfristigen Humusaufbau, um das Klima zu schützen. BLHV-Pressesprecher Padraig Elsner und BBZ-Volontärin Julia Schüz waren dort zu Gast.
Es ist ein herbstlicher Tag im Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach bei Basel, in dessen Mensa wir zusammen mit Lukas Kilcher den gemeinsamen Vormittag ausklingen lassen. Kilcher ist der Leiter des Zentrums, dessen deutsches Pendant etwa einer Mischung aus unterer Landwirtschaftsbehörde und dem Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (KÖLBW) entspräche. Zudem ist er der Vorsitzende der AG Landwirtschaft in der Deutsch-Französisch-Schweizerischen Oberrheinkonferenz (ORK), die zuletzt die Tagung Landwirtschaft und Klimawandel im Ebenrain ausrichtete (siehe BBZ 41, Seite8). Dieses Mal sprechen wir mit Lukas Kilcher, um den Ebenrain und seine Klimaschutzprojekte näher kennenzulernen.
Während sich die Mensa mit Schülern, Mitarbeitern und Lehrkräften füllt, erklärt Kilcher, dass das Gemüse auf unseren Tellern natürlich von der genossenschaftlichen Gärtnerei „Gmüeserei Sissach“ stamme, die wir gerade besichtigt haben. Sie ist einer von vielen Wirkungsräumen im Ebenrain, die sich alle ineinanderfügen – mit dem Ziel, Landwirtschaft, Naturschutz und Ernährung zusammen zu denken und weiterzuentwickeln. So wird in der Großküche nicht nur für die Mensa gekocht: „Wir bieten hier auch Workshops für private Genießerinnen und Köche aus der regionalen Gemeinschaftsgastronomie an, denen wir zeigen, wie man aus regionalen Produkten leckere Menüs zubereiten kann“, erklärt Kilcher nicht ohne etwas bescheidenen Stolz. Denn auch ohne den Bereich der Ernährungskompetenz wäre das Ebenrain-Zentrum ein Paradebeispiel für agrarökologische Wissensentwicklung und Beratung. Für Kilcher ist jedoch klar, dass Landwirtschaft, Natur und Ernährung zusammen gedacht werden müssen: „Wir befassen uns hier von Beginn an mit einer nachhaltigen Landwirtschaft, die wertvolle Lebensmittel mit möglichst kleinem Fußabdruck für die Region produziert. Schon 1971 wurde der Gutsbetrieb als erster in Europa auf biologische Landwirtschaft umgestellt.“
50 Jahre später leistet man im Ebenrain erneut Pionierarbeit auf einem Gebiet, das die Landwirtschaft auf dem ganzen Globus betrifft: die Anpassung an den Klimawandel. Es ist das zentrale Thema unseres Besuchs. Nicht nur, weil es offensichtlich eine persönliche Herzensangelegenheit Kilchers ist, der die Landwirtschaft in seiner Region als durch den Klimawandel besonders verletzlich einstuft: „Wir sind eine der wärmsten und zugleich niederschlagsärmsten Regionen der Schweiz. Zudem gibt es kaum natürliche Gewässer, die die Landwirtschaft zur Bewässerung nutzen kann. Darum haben wir entschieden, in die Speicherfähigkeit unserer Ackerböden zu investieren.“
Dafür hat der Ebenrain ein Pionierprojekt entwickelt, das Kilcher als „Win-Win“ beschreibt, da dadurch nicht nur die Betriebe klimaresilienter werden,
sondern diese zugleich aktiven Klimaschutz betreiben. Die einzelnen Techniken der Strategie bezeichnet Kilcher als unspektakulär: Es geht zum Beispiel um vielfältige Fruchtfolgen, Bodenbegrünung, Agroforst und schonende Bodenbearbeitung. Die Innovation und die Herausforderung sei, diese Maßnahmen in einer betriebsindividuellen Humusaufbau-strategie so zu kombinieren, dass sie eine positive Humusbilanz ergeben, erklärt Kilcher. Die Maßnahmenkombinationen werden nun in einem Pilotprojekt auf über 1100 ha Fläche getestet. Die Fläche kommt von 55 Betrieben aus der Region, die sich an diesem Pilotprojekt beteiligen. Jeder Betrieb erhalte zunächst eine Humusaufbauberatung, die auf persönlichen Interessen der Betriebsleiter basiere. So entstehe für jeden Betrieb eine eigene Humusaufbaustrategie, bestehend aus bekannten und neuen Maßnahmen, erklärt Kilcher.
„Zudem messen wir mit modernster Analysetechnik, wie viel Humus, also Corg, im Boden tatsächlich aufgebaut wird.“ Auf dieser Grundlage wird errechnet, wie viel CO2 der Landwirt über die Maßnahmen im Boden speichert. „Unsere Annahme aufgrund regionaler Forschungsdaten ist rund eine Tonne CO2 je Hektar und Jahr“, so Kilcher. Für das ganze Projekt kann man demnach von rund 1000 Tonnen CO2 pro Jahr ausgehen, die wiederum von der regional ansässigen Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) zur Kompensation ihrer Treibhausgasemissionen aufgekauft werden. „Die Entschädigung der Landwirte ist im Voraus garantiert für die ersten drei Jahre, danach wird entsprechend dem tatsächlich gemessenen Humusaufbau entschädigt“, erklärt Kilcher.
Obwohl die Bank den fünffachen Weltmarktpreis für CO2 bezahlt, sieht er im Finanziellen nicht den eigentlichen Mehrwert für die Landwirte: „Der größte Nutzen ist die Verbesserung der Speicherfähigkeit ihrer Böden für Wasser und Nährstoffe.“ Daraus resultiere eine höhere Erntesicherheit, und darin läge der eigentliche Gewinn für die Landwirte, führt Kilcher aus. Ebenso wichtig sind die kontinuierliche Beratung der Betriebsleiter sowie regelmäßiger Erfahrungsaustausch, wobei sich die Landwirte mit Forschern und Beratern über Herausforderungen und Erfolge von Maßnahmen austauschen und diese weiterentwickeln können. Dennoch können die Landwirte im Humusprojekt vom Ebenrain weder voraussagen noch einfach garantieren, dass das gespeicherte CO2 nicht irgendwann in Zukunft wieder in die Atmosphäre entweicht – zum Beispiel, wenn Maßnahmen aufgrund von Witterungsverhältnissen nicht wie geplant umgesetzt werden können. Das ist auch Kilchers größte Sorge, der dennoch zuversichtlich ist: „Ich erlebe, dass die Landwirte eigenen Forschergeist und Begeisterung für den Humusaufbau entwickeln, die sie auch an die nächste Generation weitergeben werden. Und darum bin ich zuversichtlich, dass wir mit einer sorgfältigen Humusaufbaustrategie langfristig Kohlenstoff aufbauen und gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit verbessern.“
Forschergeist hat auch Kilcher: „Auch wenn wir im Worst Case nach sechs Jahren nur wenig Humus aufbauen können, so werden wir doch viel darüber lernen, wie wir Kulturland klimaresilienter machen und Erträge sichern können. Umgekehrt dürfen wir nicht mit solchen Projekten warten, weil wir noch nicht alles wissen – da uns dadurch wertvolle Zeit verloren ginge.“
Kilcher hat bereits ein neues Projekt mit dem Titel „Slow Water“ in Vorbereitung, bei dem der Abfluss von Regenwasser verlangsamt werden soll, um maximal davon zu profitieren und Erosion bei Starkniederschlägen zu vermeiden. Weitere Informationen sind unter www.ebenrain.ch abrufbar.
Podcast-Tipp
Auch das Start-up „Klim“ möchte den Humusaufbau in der Landwirtschaft vorantreiben und hat dafür ein eigenes Konzept entwickelt, das neben moderner App und Austausch auf eine maßnahmenorientierte Honorierung der Landwirtinnen und Landwirte setzt. Wie das genau funktioniert, erklärt ein Mitbegründer von Klim in der neuen Folge des Wirlandwirten-Podcasts – anzuhören ab 16. Dezember 2021 auf www.wirlandwirten.de.
Handeln – und zwar jetzt. Im Schweizer Ebenrain-Zentrum setzt man auf langfristigen Humusaufbau, um das Klima zu schützen. BLHV-Pressesprecher Padraig Elsner und BBZ-Volontärin Julia Schüz waren dort zu Gast.
Es ist ein herbstlicher Tag im Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach bei Basel, in dessen Mensa wir zusammen mit Lukas Kilcher den gemeinsamen Vormittag ausklingen lassen. Kilcher ist der Leiter des Zentrums, dessen deutsches Pendant etwa einer Mischung aus unterer Landwirtschaftsbehörde und dem Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (KÖLBW) entspräche. Zudem ist er der Vorsitzende der AG Landwirtschaft in der Deutsch-Französisch-Schweizerischen Oberrheinkonferenz (ORK), die zuletzt die Tagung Landwirtschaft und Klimawandel im Ebenrain ausrichtete (siehe BBZ 41, Seite8). Dieses Mal sprechen wir mit Lukas Kilcher, um den Ebenrain und seine Klimaschutzprojekte näher kennenzulernen.
Während sich die Mensa mit Schülern, Mitarbeitern und Lehrkräften füllt, erklärt Kilcher, dass das Gemüse auf unseren Tellern natürlich von der genossenschaftlichen Gärtnerei „Gmüeserei Sissach“ stamme, die wir gerade besichtigt haben. Sie ist einer von vielen Wirkungsräumen im Ebenrain, die sich alle ineinanderfügen – mit dem Ziel, Landwirtschaft, Naturschutz und Ernährung zusammen zu denken und weiterzuentwickeln. So wird in der Großküche nicht nur für die Mensa gekocht: „Wir bieten hier auch Workshops für private Genießerinnen und Köche aus der regionalen Gemeinschaftsgastronomie an, denen wir zeigen, wie man aus regionalen Produkten leckere Menüs zubereiten kann“, erklärt Kilcher nicht ohne etwas bescheidenen Stolz. Denn auch ohne den Bereich der Ernährungskompetenz wäre das Ebenrain-Zentrum ein Paradebeispiel für agrarökologische Wissensentwicklung und Beratung. Für Kilcher ist jedoch klar, dass Landwirtschaft, Natur und Ernährung zusammen gedacht werden müssen: „Wir befassen uns hier von Beginn an mit einer nachhaltigen Landwirtschaft, die wertvolle Lebensmittel mit möglichst kleinem Fußabdruck für die Region produziert. Schon 1971 wurde der Gutsbetrieb als erster in Europa auf biologische Landwirtschaft umgestellt.“
50 Jahre später leistet man im Ebenrain erneut Pionierarbeit auf einem Gebiet, das die Landwirtschaft auf dem ganzen Globus betrifft: die Anpassung an den Klimawandel. Es ist das zentrale Thema unseres Besuchs. Nicht nur, weil es offensichtlich eine persönliche Herzensangelegenheit Kilchers ist, der die Landwirtschaft in seiner Region als durch den Klimawandel besonders verletzlich einstuft: „Wir sind eine der wärmsten und zugleich niederschlagsärmsten Regionen der Schweiz. Zudem gibt es kaum natürliche Gewässer, die die Landwirtschaft zur Bewässerung nutzen kann. Darum haben wir entschieden, in die Speicherfähigkeit unserer Ackerböden zu investieren.“
Dafür hat der Ebenrain ein Pionierprojekt entwickelt, das Kilcher als „Win-Win“ beschreibt, da dadurch nicht nur die Betriebe klimaresilienter werden,
sondern diese zugleich aktiven Klimaschutz betreiben. Die einzelnen Techniken der Strategie bezeichnet Kilcher als unspektakulär: Es geht zum Beispiel um vielfältige Fruchtfolgen, Bodenbegrünung, Agroforst und schonende Bodenbearbeitung. Die Innovation und die Herausforderung sei, diese Maßnahmen in einer betriebsindividuellen Humusaufbau-strategie so zu kombinieren, dass sie eine positive Humusbilanz ergeben, erklärt Kilcher. Die Maßnahmenkombinationen werden nun in einem Pilotprojekt auf über 1100 ha Fläche getestet. Die Fläche kommt von 55 Betrieben aus der Region, die sich an diesem Pilotprojekt beteiligen. Jeder Betrieb erhalte zunächst eine Humusaufbauberatung, die auf persönlichen Interessen der Betriebsleiter basiere. So entstehe für jeden Betrieb eine eigene Humusaufbaustrategie, bestehend aus bekannten und neuen Maßnahmen, erklärt Kilcher.
„Zudem messen wir mit modernster Analysetechnik, wie viel Humus, also Corg, im Boden tatsächlich aufgebaut wird.“ Auf dieser Grundlage wird errechnet, wie viel CO2 der Landwirt über die Maßnahmen im Boden speichert. „Unsere Annahme aufgrund regionaler Forschungsdaten ist rund eine Tonne CO2 je Hektar und Jahr“, so Kilcher. Für das ganze Projekt kann man demnach von rund 1000 Tonnen CO2 pro Jahr ausgehen, die wiederum von der regional ansässigen Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) zur Kompensation ihrer Treibhausgasemissionen aufgekauft werden. „Die Entschädigung der Landwirte ist im Voraus garantiert für die ersten drei Jahre, danach wird entsprechend dem tatsächlich gemessenen Humusaufbau entschädigt“, erklärt Kilcher.
Obwohl die Bank den fünffachen Weltmarktpreis für CO2 bezahlt, sieht er im Finanziellen nicht den eigentlichen Mehrwert für die Landwirte: „Der größte Nutzen ist die Verbesserung der Speicherfähigkeit ihrer Böden für Wasser und Nährstoffe.“ Daraus resultiere eine höhere Erntesicherheit, und darin läge der eigentliche Gewinn für die Landwirte, führt Kilcher aus. Ebenso wichtig sind die kontinuierliche Beratung der Betriebsleiter sowie regelmäßiger Erfahrungsaustausch, wobei sich die Landwirte mit Forschern und Beratern über Herausforderungen und Erfolge von Maßnahmen austauschen und diese weiterentwickeln können. Dennoch können die Landwirte im Humusprojekt vom Ebenrain weder voraussagen noch einfach garantieren, dass das gespeicherte CO2 nicht irgendwann in Zukunft wieder in die Atmosphäre entweicht – zum Beispiel, wenn Maßnahmen aufgrund von Witterungsverhältnissen nicht wie geplant umgesetzt werden können. Das ist auch Kilchers größte Sorge, der dennoch zuversichtlich ist: „Ich erlebe, dass die Landwirte eigenen Forschergeist und Begeisterung für den Humusaufbau entwickeln, die sie auch an die nächste Generation weitergeben werden. Und darum bin ich zuversichtlich, dass wir mit einer sorgfältigen Humusaufbaustrategie langfristig Kohlenstoff aufbauen und gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit verbessern.“
Forschergeist hat auch Kilcher: „Auch wenn wir im Worst Case nach sechs Jahren nur wenig Humus aufbauen können, so werden wir doch viel darüber lernen, wie wir Kulturland klimaresilienter machen und Erträge sichern können. Umgekehrt dürfen wir nicht mit solchen Projekten warten, weil wir noch nicht alles wissen – da uns dadurch wertvolle Zeit verloren ginge.“
Kilcher hat bereits ein neues Projekt mit dem Titel „Slow Water“ in Vorbereitung, bei dem der Abfluss von Regenwasser verlangsamt werden soll, um maximal davon zu profitieren und Erosion bei Starkniederschlägen zu vermeiden. Weitere Informationen sind unter www.ebenrain.ch abrufbar.
Podcast-Tipp
Auch das Start-up „Klim“ möchte den Humusaufbau in der Landwirtschaft vorantreiben und hat dafür ein eigenes Konzept entwickelt, das neben moderner App und Austausch auf eine maßnahmenorientierte Honorierung der Landwirtinnen und Landwirte setzt. Wie das genau funktioniert, erklärt ein Mitbegründer von Klim in der neuen Folge des Wirlandwirten-Podcasts – anzuhören ab 16. Dezember 2021 auf www.wirlandwirten.de.