Bei der Premierenveranstaltung des Veränderungsdialoges Baden-Württemberg vergangene Woche in Bernau wurde ein Forderungskatalog zum Thema Weide an die Politik übergeben. Die Landesregierung war personell gleich im Doppelpack vertreten.
Passend zum Thema Weide ging es schon draußen vor der Halle los: Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker bekam bei ihrem Eintreffen erst einmal den Frust und die Sorgen der Weidetierhalter angesichts des Wolfes zu hören, die der Nebenerwerbslandwirt Franz-Josef Löffler aus St. Peter formulierte. Abgeleitet aus seiner Beschreibung der bekannten Lage forderte er, den Schwarzwald als wolfsfreie Zone auszuweisen. Dies müsse gesetzlich verankert werden. Ein erster Schritt wäre für ihn das Tiroler Modell. Walker verwies in ihrer direkten Antwort auf die Rechtslage. Im Moment sieht sie die Aufgabe des Landes darin, das bestmögliche Herdenschutzkonzept zu entwickeln. Scheinlösungen wolle sie dabei keine, sondern für Tierhalter zumutbare und konkret umsetzbare Maßnahmen.
Der Tropfen
Das Fass für die Weidetierhalter sei schon voll und der Wolf sei der Tropfen, der es zum Überlaufen bringe, sagte dann im Saal BLHV-Präsident Bernhard Bolkart. Walker sicherte eine umgehende Entnahme von Wölfen zu, die den zumutbaren Herdenschutz zweimal überwunden haben. Die inhaltlich gleiche Position formulierten auch ihr für den ländlichen Raum zuständiger Kabinettskollege Peter Hauk und der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (NABU), Johannes Enssle.
Auf 10 Pilotbetrieben müsse man nun überprüfen, wie zumutbarer Herdenschutz in der Praxis funktioniere, sagte Walker und fügte hinzu: „Wenn es nicht funktioniert, müssen wir nachbessern.“ Die Forderungen für die Weidehaltung (siehe Kasten) wurden von den Vertretern der den Veränderungsdialog tragenden Verbände vorgetragen und auf dem Podium diskutiert. Agrarminister Peter Hauk wies dabei darauf hin, dass die Landwirte im Unterschied zu Naturschützern mit ihrer Tätigkeit ihre Familie ernähren müssen. Wenn die Tierhaltung zurückgehe, dann drohten wichtige Arten für den Naturschutz zu verschwinden. Land, Bund und die EU ließen es sich etwas kosten, dass die Flächen offen bleiben. Thekla Walker erinnerte daran, dass für die Beweidung im Vertragsnaturschutz inzwischen 9 Millionen Euro pro Jahr fließen. Das sei gegenüber 2011 eine Verdreifachung.
Bei den Weidetierunterständen sei ein regional gleicher Vollzug nötig, sagte Hauk. Bis zum Herbst sollen Vollzugshinweise an die Landratsämter gehen. Schwieriger werde es bei den festen Gebäuden. In den Landkreisen werde ein unterschiedlicher Vollzug gelebt. „Die unteren Baubehörden sind halt wie sie sind“, sagte er. Beim Thema Schlachten müsse bald darüber verhandelt werden, ob das Sonderprogramm für kleine Schlachthöfe verlängert werde. Freilich liege es nicht in erster Linie am Geld, meint Hauk: „Sie kriegen ja heute keine Metzger mehr“, sagte er. Die mobile Schlachtung müsse überall im Land genehmigt werden. Auch das Thema Grünlandumbruch und Erhaltung des Ackerstatus werde aufgegriffen, sagte Hauk. Die Landesgesetzgebung solle dahin geändert werden, dass umgebrochenes Grünland nicht nach fünf Jahren seinen Ackerstatus verliere.
Der Preis
Die Rückkehr des Wolfes habe einen Preis, diesen müsse die Gesellschaft zahlen. Auch die zusätzliche Arbeit der Landwirte deswegen müsse vergütet werden, unterstrich NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle. Dass starke Vermarktungspartner gefragt seien, betonte LBV-Vizepräsidentin Roswitha Geyer-Fäßler. Nur so könnten Landwirte mehr Wertschöpfung erzielen. Dieses Thema wurde auch am Nachmittag aufgegriffen, als die Arbeit der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind als beispielgebend beschrieben wurde. Trotz momentaner Absatzprobleme wolle Edeka als Vermarktungspartner am Bio-Weiderind festhalten, erklärte Andreas Pöschel, Geschäftsführer der Edeka Südwest Fleisch. „Das ist ein Tal, durch das wir durch müssen“, sagte er.
Die Wasserversorgung der Weidetiere wurde als Handlungsfeld herausgestellt, bei dem mehr Tempo nötig sei. „Das schaffen weder Landwirte noch Gemeinden allein, das muss über die Großschutzgebiete gehen“, meinte der Landwirt Markus Kaiser aus Bernau.
Lukas Kiefer vom Agrarbüro Kiefer beschrieb eine Kombination aus Marktorientierung und Prämienorientierung für die Schwarzwälder Weidebetriebe als zukunftsfähige Strategie. Für extensive Weidebetriebe biete die EU-Agrarpolitik in der neuen Förderperiode durch eine verbesserte Kombinierbarkeit von Prämien neue Perspektiven. Er riet dazu, die Rolle der Landschaftserhaltungsverbände zu stärken. Sie seien in der Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz hilfreich, „weil die Berater dort in beide Richtungen denken.“
Vom positiven Bekenntnis bis zur Ausbildung
Folgende zehn Punkte enthält der Forderungskatalog, den die Verbandsvertreter an Umweltministerin Thekla Walker und Landwirtschaftsminister Peter Hauk in Bernau überreichten:
Ein positives Bekenntnis der Politik auf allen Ebenen zur Weidetierhaltung, insbesondere beim Vollzug der bestehenden Regelungen. Ferner eine deutliche Entschlackung bei bürokratischen Auflagen und Nachweisen.
Bei der Auslegung des Tierschutzgesetzes müssen die Umstände der Weidetierhaltung stärker berücksichtigt werden. Die Empfehlungen des Landesbeirats für Tierschutz zur Weidetierhaltung sind gut formuliert und in weiten Teilen praxisnah.
Herdenschutz muss verhältnismäßig und leistbar sein. Schadstiftende Wölfe müssen schnell und unbürokratisch entnommen werden.
Stärkung der Beweidung als Naturschutzinstrument im Fachrecht des Naturschutzes und Stärkung der extensiven Weidehaltung im landwirtschaftlichen Fach- und Förderrecht.
Erarbeitung von landesweit gültigen Regelungen und Förderansätzen zur hofnahen, mobilen Schlachtung unter Beteiligung der Verbände.
Dialog zwischen Behörden und handwerklichen Metzger- sowie lokalen Verarbeitungsbetrieben zu Möglichkeiten des Bürokratieabbaus und der Senkung der Investitions- und Betriebskosten.
Stärkere Betonung und Bewerbung der besonderen Produkt- und Prozessqualität von regional auf der Weide erzeugtem Fleisch in Handel und Gastronomie.
Informations-Kampagne über die Leistungen der Weidetierhaltung und den Nutzen von Weidelandschaften.
Infrastrukturelle Unterstützung der Weidetierhaltenden durch die Kommunen.
Fundierte Ausbildung für die Weidetierhaltung in ihrer ganzen Bandbreite auf fachlich hohem Niveau. Hierzu müssen engagiertes Lehrpersonal bereitstehen und Praxiserfahrungen in die Ausbildung einfließen.
Dialog-Format
Der Anstoß zum sogenannten Veränderungsdialog ging von BLHV und NABU Baden-Württemberg aus. Direkt miteinander sprechen und nicht hintenherum übereinander wollten die Verbände. Und konkrete Maßnahmen und Projektideen erarbeiten. Auch der Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) und die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AÖL) tragen nun als weitere Mitglieder der sogenannten Steuerungsgruppe den Dialogprozess, der von Landwirtschafts- und Umweltministerium finanziell unterstützt wird. Weitere Verbände und auch die Lebensmittel-Handelsunternehmen Edeka Südwest und Rewe unterstützen den Veränderungsdialog. Grünland war das erste konkrete Thema, dem sich der Veränderungsdialog gewidmet hat, weitere Themen sollen folgen. www.veraenderungsdialog.de.
Bei der Premierenveranstaltung des Veränderungsdialoges Baden-Württemberg vergangene Woche in Bernau wurde ein Forderungskatalog zum Thema Weide an die Politik übergeben. Die Landesregierung war personell gleich im Doppelpack vertreten.
Passend zum Thema Weide ging es schon draußen vor der Halle los: Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker bekam bei ihrem Eintreffen erst einmal den Frust und die Sorgen der Weidetierhalter angesichts des Wolfes zu hören, die der Nebenerwerbslandwirt Franz-Josef Löffler aus St. Peter formulierte. Abgeleitet aus seiner Beschreibung der bekannten Lage forderte er, den Schwarzwald als wolfsfreie Zone auszuweisen. Dies müsse gesetzlich verankert werden. Ein erster Schritt wäre für ihn das Tiroler Modell. Walker verwies in ihrer direkten Antwort auf die Rechtslage. Im Moment sieht sie die Aufgabe des Landes darin, das bestmögliche Herdenschutzkonzept zu entwickeln. Scheinlösungen wolle sie dabei keine, sondern für Tierhalter zumutbare und konkret umsetzbare Maßnahmen.
Der Tropfen
Das Fass für die Weidetierhalter sei schon voll und der Wolf sei der Tropfen, der es zum Überlaufen bringe, sagte dann im Saal BLHV-Präsident Bernhard Bolkart. Walker sicherte eine umgehende Entnahme von Wölfen zu, die den zumutbaren Herdenschutz zweimal überwunden haben. Die inhaltlich gleiche Position formulierten auch ihr für den ländlichen Raum zuständiger Kabinettskollege Peter Hauk und der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (NABU), Johannes Enssle.
Auf 10 Pilotbetrieben müsse man nun überprüfen, wie zumutbarer Herdenschutz in der Praxis funktioniere, sagte Walker und fügte hinzu: „Wenn es nicht funktioniert, müssen wir nachbessern.“ Die Forderungen für die Weidehaltung (siehe Kasten) wurden von den Vertretern der den Veränderungsdialog tragenden Verbände vorgetragen und auf dem Podium diskutiert. Agrarminister Peter Hauk wies dabei darauf hin, dass die Landwirte im Unterschied zu Naturschützern mit ihrer Tätigkeit ihre Familie ernähren müssen. Wenn die Tierhaltung zurückgehe, dann drohten wichtige Arten für den Naturschutz zu verschwinden. Land, Bund und die EU ließen es sich etwas kosten, dass die Flächen offen bleiben. Thekla Walker erinnerte daran, dass für die Beweidung im Vertragsnaturschutz inzwischen 9 Millionen Euro pro Jahr fließen. Das sei gegenüber 2011 eine Verdreifachung.
Bei den Weidetierunterständen sei ein regional gleicher Vollzug nötig, sagte Hauk. Bis zum Herbst sollen Vollzugshinweise an die Landratsämter gehen. Schwieriger werde es bei den festen Gebäuden. In den Landkreisen werde ein unterschiedlicher Vollzug gelebt. „Die unteren Baubehörden sind halt wie sie sind“, sagte er. Beim Thema Schlachten müsse bald darüber verhandelt werden, ob das Sonderprogramm für kleine Schlachthöfe verlängert werde. Freilich liege es nicht in erster Linie am Geld, meint Hauk: „Sie kriegen ja heute keine Metzger mehr“, sagte er. Die mobile Schlachtung müsse überall im Land genehmigt werden. Auch das Thema Grünlandumbruch und Erhaltung des Ackerstatus werde aufgegriffen, sagte Hauk. Die Landesgesetzgebung solle dahin geändert werden, dass umgebrochenes Grünland nicht nach fünf Jahren seinen Ackerstatus verliere.
Der Preis
Die Rückkehr des Wolfes habe einen Preis, diesen müsse die Gesellschaft zahlen. Auch die zusätzliche Arbeit der Landwirte deswegen müsse vergütet werden, unterstrich NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle. Dass starke Vermarktungspartner gefragt seien, betonte LBV-Vizepräsidentin Roswitha Geyer-Fäßler. Nur so könnten Landwirte mehr Wertschöpfung erzielen. Dieses Thema wurde auch am Nachmittag aufgegriffen, als die Arbeit der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind als beispielgebend beschrieben wurde. Trotz momentaner Absatzprobleme wolle Edeka als Vermarktungspartner am Bio-Weiderind festhalten, erklärte Andreas Pöschel, Geschäftsführer der Edeka Südwest Fleisch. „Das ist ein Tal, durch das wir durch müssen“, sagte er.
Die Wasserversorgung der Weidetiere wurde als Handlungsfeld herausgestellt, bei dem mehr Tempo nötig sei. „Das schaffen weder Landwirte noch Gemeinden allein, das muss über die Großschutzgebiete gehen“, meinte der Landwirt Markus Kaiser aus Bernau.
Lukas Kiefer vom Agrarbüro Kiefer beschrieb eine Kombination aus Marktorientierung und Prämienorientierung für die Schwarzwälder Weidebetriebe als zukunftsfähige Strategie. Für extensive Weidebetriebe biete die EU-Agrarpolitik in der neuen Förderperiode durch eine verbesserte Kombinierbarkeit von Prämien neue Perspektiven. Er riet dazu, die Rolle der Landschaftserhaltungsverbände zu stärken. Sie seien in der Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz hilfreich, „weil die Berater dort in beide Richtungen denken.“
Vom positiven Bekenntnis bis zur Ausbildung
Folgende zehn Punkte enthält der Forderungskatalog, den die Verbandsvertreter an Umweltministerin Thekla Walker und Landwirtschaftsminister Peter Hauk in Bernau überreichten:
Dialog-Format
Der Anstoß zum sogenannten Veränderungsdialog ging von BLHV und NABU Baden-Württemberg aus. Direkt miteinander sprechen und nicht hintenherum übereinander wollten die Verbände. Und konkrete Maßnahmen und Projektideen erarbeiten. Auch der Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) und die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AÖL) tragen nun als weitere Mitglieder der sogenannten Steuerungsgruppe den Dialogprozess, der von Landwirtschafts- und Umweltministerium finanziell unterstützt wird. Weitere Verbände und auch die Lebensmittel-Handelsunternehmen Edeka Südwest und Rewe unterstützen den Veränderungsdialog. Grünland war das erste konkrete Thema, dem sich der Veränderungsdialog gewidmet hat, weitere Themen sollen folgen. www.veraenderungsdialog.de.
René Bossert