Das Ringen „hinter den Kulissen“ um Haltungskritierien für Rinder und Milchkühe, bewertet und kommentiert der Fachreferent des BLHV, Dr. Martin Armbruster, wie folgt.
Die weit überwiegende Mehrheit der Verbraucher kauft Fleisch und Wurstwaren nicht nur preisbewusst, sondern billig. Damit tragen viele Verbraucher zumindest eine Teilschuld an der sogenannten Massentierhaltung und deren unerwünschten und unschönen Nebenwirkungen wie Sojaimporte aus Übersee, Nutztier- und Schlachtierlangstreckentransporte bis hin zu katastrophalen Zuständen in einzelnen Stallanlagen. Ein Teil der Verbraucher scheint sich dieser Schuld bewusst zu sein und spricht sich daher für mehr Tierschutz und mehr Tierwohl aus, um sich damit quasi von den Sünden des „Geiz ist geil“ reinzuwaschen. Diese Verbraucher scheinen „ablassbereit“ zu sein und wollen daher für mehr Tierwohl in Zukunft mehr Geld bezahlen, wenn denn Lidl, Aldi, Edeka etc. die entsprechende Ware anbieten. Die LEH-Märkte und Discounter wiederum verdienen trotz Preiskampf an der Massenware recht gut und generieren damit Gewinn und Wachstum.
Handel will Image aufpolieren
Auch hier ist man sich der Teilschuld bewusst und will aufgrund der zunehmenden öffentlichen Diskussion das eigene Image aufpolieren. So sprechen sich auch LEH und Discounter in zunehmendem Maße für mehr Tierwohl aus und überbieten sich gegenseitig bei der Entwicklung von Kriterienkatalogen für Lieferanten und Erzeuger. Um sich von der Schuld reinzuwaschen, sollen in Zukunft Fleisch und Wurstwaren, die entsprechend definierter Tierwohlstandards erzeugt wurden, ausgelobt werden. Auch hier soll ein Ablass in Form einer finanziellen Beteiligung von den LEH und Discountern geleistet werden. Was bei der Initiative Tierwohl im Bereich Schlachtschweine bereits seit Jahren läuft, hat nun auch die Milchviehhaltung erreicht, denn die meisten Milchkühe „beenden ihre Karriere“ als Schlachttiere, und so manches Jungrind geht frühzeitig den gleichen Weg. Daher wird nun hinter den Kulissen um Haltungskriterien für Rinder und Milchkühe gerungen, um die Anerkennung verschiedener Definitionen und Standards gefeilscht. Hans-Jürgen Seufferlein, Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB), hat in seinem Beitrag „Das Tierwohl und die Milchkühe“ in der BBZ, Ausgabe Nr. 36, die aktuelle Situation und die Hintergründe detailliert beschrieben und erörtert.
Süddeutsche Position wichtig
Im Ergebnis muss sich jeder Milchviehalter darüber bewusst sein, dass er heute schon und in Zukunft in zunehmendem Maße das erfüllen muss, was seine Abnehmer über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus von ihm verlangen. Die Vorgaben kommen ganz konkret von der eigenen Molkerei. Sie sind jedoch nicht aus der Luft gegriffen. Bei der aktuell diskutierten Haltungskennzeichnung wird es wahrscheinlich vier Stufen geben, die den Bereich vom gesetzlich zulässigen Standard bis hin zu Bioproduktion abdecken. Für die Zwischenstufen sind wichtige Themen wie das Tierwohl der Kombinationshaltung von den Bauernverbänden in Bayern und Baden-Württemberg sowie vom Milchwirtschaftlichen Verein bereits intensiv bearbeitet und als gemeinsamer Konsens festgeschrieben worden. Es ist wichtig und gut, dass es hier eine süddeutsche Position gibt, die Gewicht hat und in entsprechenden Gremien verteidigt werden kann. Das Mehr an Tierwohl für die Milchkühe muss so umgesetzt werden, dass möglichst viele Milchviehhalter mitgehen können. Ob es Gewinner in diesem Entwicklungsprozess geben wird, ist fraglich. Verlierer jedoch sicherlich.
Druck auf ganzjährige Anbindehaltung
Der bereits bestehende Druck auf Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung wird erhöht. Betriebe mit Kombinationshaltung werden sehr wahrscheinlich neue zusätzliche Vorgaben erfüllen müssen. Mag sein, dass so mancher Milchviehhalter, der einen recht modernem Boxenlaufstall besitzt, sich bei diesem Thema zunächst entspannt zurücklehnt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Kurzfristig wird es für diese Betriebe wahrscheinlich keine großen Stolpersteine bei der Einstufung zur Haltungskennzeichnung geben.
Reizwort „Turbokühe“
Ein Zug, der im Rollen ist, kann aber nur schwer aufgehalten werden. So ist für die Zukunft zu erwarten, dass beim Thema Tierwohl auch Problembereiche zu bearbeiten sind, die auch Laufstallbetriebe betreffen. Neben klassischen Themen wie Klauenkrankheiten könnte das Reizwort „Turbokühe“ an Bedeutung gewinnen. Die Probleme der Hochleistungskühe wie Unfruchtbarkeit, Eutererkrankungen und Stoffwechselstörungen kann man nicht leugnen. Auch das Unwort „Abfallkälber“, das in Zusammenhang mit Kälberlangstreckentransporten immer wieder genannt wird, kann dem Verursacherprinzip entsprechend der intensiven Milchviehhaltung auf die Füße fallen.
Anpassungsdruck für Milchviehhaltung
Die gewünschte Idylle der unwissenden Verbraucher, mit Kühen und Kälbern auf der Weide, wird es in Zukunft im großen Stil sicherlich nicht geben können. Aber die moderne Milchviehhaltung wird sich etwas anpassen müssen. Höhere Remontierungsraten, eine Rückbesinnung auf standortangepasste Zweinutzungsrassen oder eine freiwillige Selbstbeschränkung auf Futtermittel, die in der eigenen Region erzeugt werden, wären durchaus diskussionswürdig, denn derartige Ansätze ließen sich unter dem Begriff Regionalvermarktung gut verkaufen.
Martin Armbruster
Das Ringen „hinter den Kulissen“ um Haltungskritierien für Rinder und Milchkühe, bewertet und kommentiert der Fachreferent des BLHV, Dr. Martin Armbruster, wie folgt.
Die weit überwiegende Mehrheit der Verbraucher kauft Fleisch und Wurstwaren nicht nur preisbewusst, sondern billig. Damit tragen viele Verbraucher zumindest eine Teilschuld an der sogenannten Massentierhaltung und deren unerwünschten und unschönen Nebenwirkungen wie Sojaimporte aus Übersee, Nutztier- und Schlachtierlangstreckentransporte bis hin zu katastrophalen Zuständen in einzelnen Stallanlagen. Ein Teil der Verbraucher scheint sich dieser Schuld bewusst zu sein und spricht sich daher für mehr Tierschutz und mehr Tierwohl aus, um sich damit quasi von den Sünden des „Geiz ist geil“ reinzuwaschen. Diese Verbraucher scheinen „ablassbereit“ zu sein und wollen daher für mehr Tierwohl in Zukunft mehr Geld bezahlen, wenn denn Lidl, Aldi, Edeka etc. die entsprechende Ware anbieten. Die LEH-Märkte und Discounter wiederum verdienen trotz Preiskampf an der Massenware recht gut und generieren damit Gewinn und Wachstum.
Handel will Image aufpolieren
Auch hier ist man sich der Teilschuld bewusst und will aufgrund der zunehmenden öffentlichen Diskussion das eigene Image aufpolieren. So sprechen sich auch LEH und Discounter in zunehmendem Maße für mehr Tierwohl aus und überbieten sich gegenseitig bei der Entwicklung von Kriterienkatalogen für Lieferanten und Erzeuger. Um sich von der Schuld reinzuwaschen, sollen in Zukunft Fleisch und Wurstwaren, die entsprechend definierter Tierwohlstandards erzeugt wurden, ausgelobt werden. Auch hier soll ein Ablass in Form einer finanziellen Beteiligung von den LEH und Discountern geleistet werden. Was bei der Initiative Tierwohl im Bereich Schlachtschweine bereits seit Jahren läuft, hat nun auch die Milchviehhaltung erreicht, denn die meisten Milchkühe „beenden ihre Karriere“ als Schlachttiere, und so manches Jungrind geht frühzeitig den gleichen Weg. Daher wird nun hinter den Kulissen um Haltungskriterien für Rinder und Milchkühe gerungen, um die Anerkennung verschiedener Definitionen und Standards gefeilscht. Hans-Jürgen Seufferlein, Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB), hat in seinem Beitrag „Das Tierwohl und die Milchkühe“ in der BBZ, Ausgabe Nr. 36, die aktuelle Situation und die Hintergründe detailliert beschrieben und erörtert.
Süddeutsche Position wichtig
Im Ergebnis muss sich jeder Milchviehalter darüber bewusst sein, dass er heute schon und in Zukunft in zunehmendem Maße das erfüllen muss, was seine Abnehmer über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus von ihm verlangen. Die Vorgaben kommen ganz konkret von der eigenen Molkerei. Sie sind jedoch nicht aus der Luft gegriffen. Bei der aktuell diskutierten Haltungskennzeichnung wird es wahrscheinlich vier Stufen geben, die den Bereich vom gesetzlich zulässigen Standard bis hin zu Bioproduktion abdecken. Für die Zwischenstufen sind wichtige Themen wie das Tierwohl der Kombinationshaltung von den Bauernverbänden in Bayern und Baden-Württemberg sowie vom Milchwirtschaftlichen Verein bereits intensiv bearbeitet und als gemeinsamer Konsens festgeschrieben worden. Es ist wichtig und gut, dass es hier eine süddeutsche Position gibt, die Gewicht hat und in entsprechenden Gremien verteidigt werden kann. Das Mehr an Tierwohl für die Milchkühe muss so umgesetzt werden, dass möglichst viele Milchviehhalter mitgehen können. Ob es Gewinner in diesem Entwicklungsprozess geben wird, ist fraglich. Verlierer jedoch sicherlich.
Druck auf ganzjährige Anbindehaltung
Der bereits bestehende Druck auf Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung wird erhöht. Betriebe mit Kombinationshaltung werden sehr wahrscheinlich neue zusätzliche Vorgaben erfüllen müssen. Mag sein, dass so mancher Milchviehhalter, der einen recht modernem Boxenlaufstall besitzt, sich bei diesem Thema zunächst entspannt zurücklehnt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Kurzfristig wird es für diese Betriebe wahrscheinlich keine großen Stolpersteine bei der Einstufung zur Haltungskennzeichnung geben.
Reizwort „Turbokühe“
Ein Zug, der im Rollen ist, kann aber nur schwer aufgehalten werden. So ist für die Zukunft zu erwarten, dass beim Thema Tierwohl auch Problembereiche zu bearbeiten sind, die auch Laufstallbetriebe betreffen. Neben klassischen Themen wie Klauenkrankheiten könnte das Reizwort „Turbokühe“ an Bedeutung gewinnen. Die Probleme der Hochleistungskühe wie Unfruchtbarkeit, Eutererkrankungen und Stoffwechselstörungen kann man nicht leugnen. Auch das Unwort „Abfallkälber“, das in Zusammenhang mit Kälberlangstreckentransporten immer wieder genannt wird, kann dem Verursacherprinzip entsprechend der intensiven Milchviehhaltung auf die Füße fallen.
Anpassungsdruck für Milchviehhaltung
Die gewünschte Idylle der unwissenden Verbraucher, mit Kühen und Kälbern auf der Weide, wird es in Zukunft im großen Stil sicherlich nicht geben können. Aber die moderne Milchviehhaltung wird sich etwas anpassen müssen. Höhere Remontierungsraten, eine Rückbesinnung auf standortangepasste Zweinutzungsrassen oder eine freiwillige Selbstbeschränkung auf Futtermittel, die in der eigenen Region erzeugt werden, wären durchaus diskussionswürdig, denn derartige Ansätze ließen sich unter dem Begriff Regionalvermarktung gut verkaufen.
Martin Armbruster