Was vergangene Woche noch als Vermutung galt, wurde jetzt bestätigt: Die sechs Jungrinder in Bernau wurden tatsächlich von einem Wolf angegriffen, was für fünf Tiere tödlich endete. Viermal war nachweislich GW1129m der (Wiederholungs-)Täter.
Auf dem Betrieb von Markus Kaiser vom Goldbachhof in Bernau wurden im August sechs Jungrinder im Alter von sechs bis zehn Monaten vom Wolf gerissen. In zwei Fällen mit insgesamt vier toten Tieren konnte der Wolf GW1129m nachgewiesen werden. Das teilte das Umweltministerium Baden-Württemberg Anfang der Woche mit. Eigentlich gelten Rinder eher nicht als vom Wolf gefährdet. Laut Dr. Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) machen Wildtiere bislang gut 98 % der Beute des Raubtieres aus. Die bundesweiten Daten zeigten, dass Rinder im Vergleich zu kleineren Nutztierarten wie Schafen oder Ziegen von Wölfen deutlich seltener angegriffen werden: Im Jahr 2020 waren bei 14 % der Übergriffe auf Nutztiere Rinder betroffen, dabei machten Kälber im Alter von bis zu zwei Wochen 66 % der Risse aus. Herdtfelder weiß aber auch: Die Nahrungswahl von Wölfen ist sehr individuell. Viele Wölfe würden in ihrem Leben niemals Rinder angreifen, andere versuchten es erfolglos, wieder andere mit Erfolg. Die Ursache kenne man nicht. „Klar ist aber, dass durch eine erfolgreiche Jagd ein Wolf in seinem Verhalten bestärkt werden kann. Dies scheint nun bei GW1129m der Fall zu sein. Ungewiss ist jedoch, ob und in welcher Intensität er dieses Verhalten fortsetzen wird“, erklärt Herdtfelder.
Was der Experte schildert, bestätigt sich auch in den Aufzeichnungen zu den drei residenten Wölfen in Baden-Württemberg. So sind vom Wolf GW2103m, der aus der Alpenpopulation stammt, keinerlei Nutztierrisse bekannt. Er ist aber auch erst seit 2021 in der Region. GW852m greift seit 2017 zwar regelmäßig Nutztiere im Nordschwarzwald an, Rinder waren aber bisher nicht betroffen. Nur GW1129m, der wie GW852m aus einem Rudel in Norddeutschland stammt, scheint sich mittlerweile auf Rinder zu spezialisieren. „Ich habe mich schon gefragt: Warum jetzt gerade diese beiden Herden?“, sagt der betroffene Landwirt Markus Kaiser, der auch Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind ist. Er erklärt es sich so: Zum einen gibt es in Bernau keine größeren Schaf- oder Ziegenherden und zum anderen waren die beiden schwächsten Gruppen betroffen. Die Schwächsten deshalb, weil die Tiere aus der Milchviehhaltung stammen. Ihr ruhiger Charakter macht sie zu leichteren Opfern. Zudem sind keine Muttertiere dabei gewesen, die die Jungtiere hätten verteidigen können.
Die FVA hat laut Kaiser mittlerweile mehrere Wildtierkameras auf den betroffenen Flächen installiert, sodass die Weide gut überwacht ist. Wären die DNA-Tests negativ gewesen, also hätte der Wolf nicht eindeutig als Täter bestimmt werden können, so hätten Bildaufnahmen bei einer weiteren Attacke helfen können. Auch sonst lobt Markus Kaiser die Arbeit der Institution: „Die FVA macht ihre Arbeit wirklich gewissenhaft.“ Sie seien sofort vor Ort gewesen, hätten viele Proben genommen und ihm gesagt, was zu tun ist. Weil er selbst skeptisch gewesen sei, habe er sich überzeugt, indem er die Untersuchungen die ganze Zeit begleitet habe. Er rechnet es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hoch an, wie sie mit den angefressenen Tieren umgegangen sind.
Rinderhalter nutzen Förderung kaum
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart ist selbst Mutterkuhhalter im Schwarzwald und kann die Rinderhalter sehr gut verstehen. Erst vergangene Woche musste er selbst nachts zweimal auf die Weide, nachdem es in der Herde große Unruhe gab. Die Ursache blieb unbekannt, die Tiere waren unversehrt. Trotzdem: „Seither bin ich sehr angespannt“, erklärt Bolkart. Auch Rinderhalter können einen wolfsabweisenden Zaun mit finanzieller Unterstützung des Landes errichten – auf Flächen mit Kälbern. Genauso können sie die Herdenschutzberatung des Landes in Anspruch nehmen. Nur sehr wenige haben diese Möglichkeit bis jetzt allerdings in Anspruch genommen. Die Gründe sind vielfältig. Ein wichtiger ist: Es geht um andere Dimensionen, denn Rinderweiden sind in der Regel deutlich größer als Schaf- oder Ziegenweiden, vor allem in extensiven Regionen, wo es mehr Fläche braucht, um die Tiere satt zu bekommen. Deshalb soll es demnächst erste Versuche mit „abgespeckten“ Herdenschutzzäunen geben. Zusätzliche Maßnahmen für Rinderhalter sollten demnächst auf der Internetseite des Umweltministeriums und der FVA veröffentlicht werden. Für Bolkart ist klar: Ohne wolfsabweisende Zäune kann ein Wolf nicht zu einem „Problemwolf“ erklärt werden – siehe auch BBZ-Beitrag von letzter Woche auf Seite 31. Deshalb steht für ihn der Zaunbau an erster Stelle, Tourismus und Wildtierschutz müssen hinten anstehen.
Schnelle Lösung
Für die Herde von Markus Kaiser muss zunächst eine schnelle Lösung her für die letzten Wochen auf der Weide. Mittelfristig ist für Kaiser aber klar: „Es muss ein Konzept für Rinder entwickelt werden.“ Wie geht man mit dem Tourismus, dem Betretungsrecht und dem Schwarzwald insgesamt um und wer trägt die Kosten? Kaiser überschlägt grob: Für die eine betroffene Fläche mit 4,5 bis 5 km Zaun und Kosten von 12 bis 15 Euro/m kommt er auf eine Summe von etwa 100000 Euro, wenn man zum Beispiel auch Eckpfosten und Weidetore einrechnet. Hinzu kommt der hohe Arbeitsaufwand, der gerade für die vielen Nebenerwerbslandwirte ein wichtiger Knackpunkt sein könnte. Über die Förderung sind nur 30000 Euro pro Betrieb und Jahr möglich. Kaiser müsste die Investition also vorfinanzieren. Würde er seine gesamte Weidefläche mit rund 170 ha ausstatten, käme er auf eine halbe bis Dreiviertelmillion.
GW1129m ist ein Problemwolf
Der Wolfsrüde GW1129m hat sich hoher Wahrscheinlichkeit nach auf Jungrinder spezialisiert, stellt BLHV-Präsident Bernhard Bolkart fest. Die genetischen Untersuchungen belegen, dass GW1129m wiederholt Rinder angegriffen hat. Der BLHV fordert daher die Entnahme des Tieres. Entsprechend müsse jetzt ein rechtliches Verfahren aufgestellt werden, damit dies erledigt werden kann. „Unsere Weidetierhalter sind nicht bereit, weitere Tiere zu opfern“, erklärt Bolkart, „wir erwarten, dass die Landesregierung nicht weiter zögert und schnell handelt“.
Maria Wehrle
Was vergangene Woche noch als Vermutung galt, wurde jetzt bestätigt: Die sechs Jungrinder in Bernau wurden tatsächlich von einem Wolf angegriffen, was für fünf Tiere tödlich endete. Viermal war nachweislich GW1129m der (Wiederholungs-)Täter.
Auf dem Betrieb von Markus Kaiser vom Goldbachhof in Bernau wurden im August sechs Jungrinder im Alter von sechs bis zehn Monaten vom Wolf gerissen. In zwei Fällen mit insgesamt vier toten Tieren konnte der Wolf GW1129m nachgewiesen werden. Das teilte das Umweltministerium Baden-Württemberg Anfang der Woche mit. Eigentlich gelten Rinder eher nicht als vom Wolf gefährdet. Laut Dr. Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) machen Wildtiere bislang gut 98 % der Beute des Raubtieres aus. Die bundesweiten Daten zeigten, dass Rinder im Vergleich zu kleineren Nutztierarten wie Schafen oder Ziegen von Wölfen deutlich seltener angegriffen werden: Im Jahr 2020 waren bei 14 % der Übergriffe auf Nutztiere Rinder betroffen, dabei machten Kälber im Alter von bis zu zwei Wochen 66 % der Risse aus. Herdtfelder weiß aber auch: Die Nahrungswahl von Wölfen ist sehr individuell. Viele Wölfe würden in ihrem Leben niemals Rinder angreifen, andere versuchten es erfolglos, wieder andere mit Erfolg. Die Ursache kenne man nicht. „Klar ist aber, dass durch eine erfolgreiche Jagd ein Wolf in seinem Verhalten bestärkt werden kann. Dies scheint nun bei GW1129m der Fall zu sein. Ungewiss ist jedoch, ob und in welcher Intensität er dieses Verhalten fortsetzen wird“, erklärt Herdtfelder.
Was der Experte schildert, bestätigt sich auch in den Aufzeichnungen zu den drei residenten Wölfen in Baden-Württemberg. So sind vom Wolf GW2103m, der aus der Alpenpopulation stammt, keinerlei Nutztierrisse bekannt. Er ist aber auch erst seit 2021 in der Region. GW852m greift seit 2017 zwar regelmäßig Nutztiere im Nordschwarzwald an, Rinder waren aber bisher nicht betroffen. Nur GW1129m, der wie GW852m aus einem Rudel in Norddeutschland stammt, scheint sich mittlerweile auf Rinder zu spezialisieren. „Ich habe mich schon gefragt: Warum jetzt gerade diese beiden Herden?“, sagt der betroffene Landwirt Markus Kaiser, der auch Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind ist. Er erklärt es sich so: Zum einen gibt es in Bernau keine größeren Schaf- oder Ziegenherden und zum anderen waren die beiden schwächsten Gruppen betroffen. Die Schwächsten deshalb, weil die Tiere aus der Milchviehhaltung stammen. Ihr ruhiger Charakter macht sie zu leichteren Opfern. Zudem sind keine Muttertiere dabei gewesen, die die Jungtiere hätten verteidigen können.
Die FVA hat laut Kaiser mittlerweile mehrere Wildtierkameras auf den betroffenen Flächen installiert, sodass die Weide gut überwacht ist. Wären die DNA-Tests negativ gewesen, also hätte der Wolf nicht eindeutig als Täter bestimmt werden können, so hätten Bildaufnahmen bei einer weiteren Attacke helfen können. Auch sonst lobt Markus Kaiser die Arbeit der Institution: „Die FVA macht ihre Arbeit wirklich gewissenhaft.“ Sie seien sofort vor Ort gewesen, hätten viele Proben genommen und ihm gesagt, was zu tun ist. Weil er selbst skeptisch gewesen sei, habe er sich überzeugt, indem er die Untersuchungen die ganze Zeit begleitet habe. Er rechnet es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hoch an, wie sie mit den angefressenen Tieren umgegangen sind.
Rinderhalter nutzen Förderung kaum
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart ist selbst Mutterkuhhalter im Schwarzwald und kann die Rinderhalter sehr gut verstehen. Erst vergangene Woche musste er selbst nachts zweimal auf die Weide, nachdem es in der Herde große Unruhe gab. Die Ursache blieb unbekannt, die Tiere waren unversehrt. Trotzdem: „Seither bin ich sehr angespannt“, erklärt Bolkart. Auch Rinderhalter können einen wolfsabweisenden Zaun mit finanzieller Unterstützung des Landes errichten – auf Flächen mit Kälbern. Genauso können sie die Herdenschutzberatung des Landes in Anspruch nehmen. Nur sehr wenige haben diese Möglichkeit bis jetzt allerdings in Anspruch genommen. Die Gründe sind vielfältig. Ein wichtiger ist: Es geht um andere Dimensionen, denn Rinderweiden sind in der Regel deutlich größer als Schaf- oder Ziegenweiden, vor allem in extensiven Regionen, wo es mehr Fläche braucht, um die Tiere satt zu bekommen. Deshalb soll es demnächst erste Versuche mit „abgespeckten“ Herdenschutzzäunen geben. Zusätzliche Maßnahmen für Rinderhalter sollten demnächst auf der Internetseite des Umweltministeriums und der FVA veröffentlicht werden. Für Bolkart ist klar: Ohne wolfsabweisende Zäune kann ein Wolf nicht zu einem „Problemwolf“ erklärt werden – siehe auch BBZ-Beitrag von letzter Woche auf Seite 31. Deshalb steht für ihn der Zaunbau an erster Stelle, Tourismus und Wildtierschutz müssen hinten anstehen.
Schnelle Lösung
Für die Herde von Markus Kaiser muss zunächst eine schnelle Lösung her für die letzten Wochen auf der Weide. Mittelfristig ist für Kaiser aber klar: „Es muss ein Konzept für Rinder entwickelt werden.“ Wie geht man mit dem Tourismus, dem Betretungsrecht und dem Schwarzwald insgesamt um und wer trägt die Kosten? Kaiser überschlägt grob: Für die eine betroffene Fläche mit 4,5 bis 5 km Zaun und Kosten von 12 bis 15 Euro/m kommt er auf eine Summe von etwa 100000 Euro, wenn man zum Beispiel auch Eckpfosten und Weidetore einrechnet. Hinzu kommt der hohe Arbeitsaufwand, der gerade für die vielen Nebenerwerbslandwirte ein wichtiger Knackpunkt sein könnte. Über die Förderung sind nur 30000 Euro pro Betrieb und Jahr möglich. Kaiser müsste die Investition also vorfinanzieren. Würde er seine gesamte Weidefläche mit rund 170 ha ausstatten, käme er auf eine halbe bis Dreiviertelmillion.
GW1129m ist ein Problemwolf
Der Wolfsrüde GW1129m hat sich hoher Wahrscheinlichkeit nach auf Jungrinder spezialisiert, stellt BLHV-Präsident Bernhard Bolkart fest. Die genetischen Untersuchungen belegen, dass GW1129m wiederholt Rinder angegriffen hat. Der BLHV fordert daher die Entnahme des Tieres. Entsprechend müsse jetzt ein rechtliches Verfahren aufgestellt werden, damit dies erledigt werden kann. „Unsere Weidetierhalter sind nicht bereit, weitere Tiere zu opfern“, erklärt Bolkart, „wir erwarten, dass die Landesregierung nicht weiter zögert und schnell handelt“.
Maria Wehrle