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Premiere für den grenzüberschreitenden Dialog

Vertreter des  BLHV-Kreisverbandes Konstanz und des Schaffhauser Bauernverbandes haben sich letzte  Woche in Tengen-Uttenhofen getroffen.

Der Austausch fand auf dem Betrieb des Konstanzer BLHV-Kreisvorsitzenden Stefan Leichenauer statt. Dabei waren neben Leichenauer sein Stellvertreter Alexander Schlenker und eine Dreier-Delegation aus der Schweiz: Der Schaffhauser Bauernverbandspräsident Christoph Graf, seine Stellvertreterin Jessica Bolli und die Geschäftsführerin Virginia Stoll.

Leichenauer führt in Tengen-Uttenhofen einen 135 Hektar großen Ackerbaubetrieb. Graf betreibt in Ramsen einen 35 Hektar umfassenden Milch- und Ackerbaubetrieb mit etwa 30 Kühen und Nachzucht. Leichenauer ist seit 18 Jahren Mitglied im BLHV-Kreisvorstand Konstanz und Graf seit 13 Jahren Schaffhauser Bauernpräsident. Seit beide in ihren Ämtern sind, war es das erste Treffen in dieser Form.  „Bisher war man lediglich gegenseitig zur Hauptversammlung des Bauernverbandes eingeladen“, sagte Christoph Graf. 

Die geografische Situation des Ackerbaukantons Schaffhausen  ist speziell. Von der 185 Kilometer langen Kantonsgrenze sind über 150 Kilometer Landesgrenze. Die Schaffhauser Bauern haben mit über 3200 Hektar etwa 20 % ihrer gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland. „Die Schweizer bezahlen bei uns fast die  doppelte Pacht, und für uns gibt es weder Vorpacht- noch Vorkaufsrecht“, sagte Leichenauer.

Schweizer Bauern dürfen in Deutschland erzeugte Produkte aus einem zehn Kilometer breiten Grenzkorridor zollfrei in die Schweiz einführen und können für sogenannte angestammte Flächen, die sie seit 1984 ununterbrochen bewirtschaften, Schweizer Direktzahlungen beantragen. Für andere in Deutschland bewirtschaftete Flächen können sie EU-Prämien  beantragen. Zudem bekommen die Schweizer Bauern für manche Produkte – wie beispielsweise den Weizen – einen rund doppelt so hohen Preis wie ihre deutschen Berufskollegen.

Graf gab zu bedenken, dass die Produktionskosten in der Schweiz  deutlich höher sind. Im Kanton Schaffhausen bewirtschaftet ein durchschnittlicher Ackerbaubetrieb rund 35 Hektar und muss aus dem Land etwa die gleiche Wertschöpfung wie ein vergleichbarer 80 Hektar großer Betrieb in Deutschland erzielen. In der Schweiz gilt in der Landwirtschaft  ein monatlicher Grundlohn von 3400 Franken, was einem Stundenlohn von knapp 15 Franken entspricht.

 „Der Ukraine-Krieg wird uns mehr treffen, als wir glauben“, betonte Leichenauer. „Für einen Doppelzentner Kalkammonsalpeter zahlte ich im vergangenen  Jahr 17 Euro, und heute liegt der Tagespreis bei 66 Euro“, sagte Leichenauer. Graf berichtete, das sich der Preis für Harnstoff in der Schweiz verdreifacht hat.

 Ökologisierung und Energiebeschaffung rückten in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Landwirtschaft. „Die Nahrungsmittelproduktion wird durch den Ukraine-Krieg einen neuen Stellenwert bekommen“, sagte Graf. Der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln liegt in Deutschland bei knapp  90 % und in der Schweiz bei rund 53 %.

Die Ursache für die zurückgehenden Flächen für die Nahrungsmittelerzeugung im deutschen Grenzgebiet nur auf die Schweizer Landnahme zu schieben, wäre zu einfach. In Deutschland fielen unter anderem auch Flächen weg, auf denen Mais für Biogasanlagen angebaut wird. Allein im Landkreis Konstanz gibt es über 40 Biogasanlagen. In der Schweiz werden Biogasanlagen  nicht subventioniert und dürfen nur mit Rüst- und Müllereiabfällen, Mist und Gülle betrieben werden.

Leichenauer berichtete, dass ein deutscher Bauer voraussichtlich ab 2023 vier Prozent seiner Fläche brach liegen lassen muss, wenn er die EU- Grundprämie von knapp 200 Euro pro Hektar erhalten will. In der Schweiz ist es ähnlich. Virginia Stoll erzählte, das sie vergangene  Woche bei einem Gespräch  war, bei dem diskutiert wurde, wo man noch mehr Steinhäufen und Altgrasstreifen machen kann, die zwar Beiträge auslösen, aber noch mehr unproduktive Fläche generieren. „Mit Blickrichtung Ukraine und Russland können wir das alles vielleicht bald wieder über den Haufen werfen“, sagte die Schaffhauser Verbandsgeschäftsführerin.

Zum Schluss der Zusammenkunft zogen beide Delegationen das Fazit, dass in der Landwirtschaft beiderseits der Landesgrenze ein Umdenken stattfinden wird. Graf bemerkte, dass den Bauern in der Vergangenheit für alles Mögliche die Schuld gegeben und vergessen wurde, dass die Nachkriegsgeneration noch Hunger leiden musste. „Wir sind in Schaffhausen auf dem Fronwagplatz gestanden, und als wir gesagt haben, dass wieder einmal andere Zeiten kommen, wurden wir ausgelacht“, sagte Graf. „Es wird künftig vielleicht nicht mehr mit dem Finger auf uns gezeigt, wenn wir mit dem Güllefass oder dem Düngerstreuer unterwegs sind“, fügte er  hinzu.

  Stefan Leichenauer ist überzeugt, dass die guten Betriebe mit einem stimmigen Konzept auch eine Zukunft haben. „Egal ob Klein- oder Großbetrieb, konventionell oder biologisch“, sagte Leichenauer. Graf betonte, dass es sich beidseits der Grenzen herauskristallisieren wird, wer gut schafft.

„Bei allem braucht es aber auch viel Leidenschaft und Dankbarkeit für das was man hat, und man darf nicht immer nach noch mehr streben“, sagte Jessica Bolli, die in Opfertshofen die Mähfarm mit Hofladen führt. Künftig wollen sich die beiden Delegationen regelmäßig treffen. „Dabei wollen wir auch den Austausch unter den Landfrauen fördern“, sagte Jessica Bolli. Nach der abschließenden Hofbesichtigung waren sich alle einig: „Wir sitzen im selben Boot.“

Thomas Güntert