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Natur wiederherstellen – aber nicht so

Rund 300 Bäuerinnen und Bauern aus 20 Ländern, darunter eine Abordnung des BLHV, sind am Dienstag  vor das Europaparlament in Straßburg gezogen. Es ging darum, erneut und vehement gegen die Pläne der EU-Kommission für ein Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) zu protestieren. 

Der Protesttermin war aus strategischen Gründen so gewählt worden. Im Plenum des Europaparlaments war für den Vormittag eine Aussprache vorgesehen. Der eigentliche NRL-Abstimmungstermin war für den Tag darauf am frühen Nachmittag des Mittwoch anberaumt. Es gab am Dienstag letztlich zwei Protestaktionen, nur jeweils rund 100 Meter voneinander entfernt. Denn nicht nur die Gegner, auch die Befürworter von NRL hatten einen „Flashmob“ vor dem Eingangsbereich des Parlamentsgebäudes organisiert. Die versammelten Gegner des NRL-Entwurfs verstärkte eine Abordnung des BLHV. „Wir werden EU-Kommissions-Vize Frans Timmermans (SPE) nicht erlauben, dass er mit seinem Entwurf Land und Bevölkerung aufteilt“, warnte der Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP) Norbert Lins  vor den rund 300 Landwirten. Trotz Erntezeit waren Abordnungen aus 20 Ländern gekommen, um gegen den NRL-Entwurf zu protestieren. Der Slogan lautete: „Ja zur Wiederherstellung der Natur – nein zu einem Gesetz der Natur-Wiederherstellung“. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), erklärte dazu energisch: „Wir setzten auf Kooperation, auf gemeinsamen Naturschutz und nicht auf Verbote.“ In kooperativer Form werde man den Green Deal ebenso unterstützen wie das Biodiversitäts-Stärkungsgesetz nach baden-württembergischem Vorbild. Ein Bewirtschaftungsverbot auf zehn Prozent der Fläche aber sei nicht hinnehmbar und wirke vielerorts existenzbedrohend.

Bei den  französischen Kollegen klangen die Proteste noch energischer: Weitere Unterschutzstellungen und ebenso auch das naturschutzrechtliche  Verschlechterungsverbot wurden strikt abgelehnt. Laut Franck Sander vom Elsässischen Bauernverband FNSEA werde auf die Sicherheit der Ernährung keine Rücksicht genommen, und trotzdem biete der NRL-Entwurf kein wirksames Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels. Nach Einschätzung der Französin Christiane Lambert, Präsidentin des europäischen Bauernverbandes COPA/COGECA, ist der NRL-Entwurf der Kommission undurchführbar und werde im Fall der Annahme vielen Landwirten die Existenz kosten, vor allem den kleinen. Sie forderte daher die Rücknahme des Entwurfs und die komplette Neuauflage mit einer anderen Strategie.

Ganz anders dagegen die Inhalte der Parallelveranstaltung in 100 Metern Entfernung. Dort wurde die Realisierung des NRL-Entwurfes eingefordert. Vor rund 80 Sympathisanten forderten EU-Parlamentarier wie Malte Lenz Gallée (Grüne) die konsequente Bekämpfung des Klimawandels und die Berücksichtigung der Anforderungen an den Naturhaushalt. Sie warf dem EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber vor, mit der NRL-Thematik den Wahlkampf vorzuziehen. Tobias Schied, Agrarsprecher bei Fridays for Future, forderte eine allgemeine Extensivierung der Landbewirtschaftung, einen Stopp der Sojaimporte und den weitgehenden Rückbau des Futtergetreideanteils, der bei 60 Prozent liege, „…das ist unser Hauptproblem“, so der Heidenheimer. Unter den NRL-Befürwortern war auch Greta Thunberg.

Mit ihrer zahlenmäßig starken Präsenz stellte die französische Police Nationale eine wirksame Trennung zwischen den beiden Gruppen her. Alles blieb friedlich.

Heinrich von Kobylinski

EU-Parlament stimmt knapp für den Vorschlag der Kommission

Das Europaparlament hat sich hinter den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) gestellt. Wie zu erwarten, fiel das Abstimmungsergebnis im Straßburger Plenum am Mittwoch  denkbar knapp aus. Für den von der Europäischen Volkspartei (EVP) gestellten Antrag, den Entwurf abzulehnen, votierten 312 EU-Parlamentarier. Dagegen stimmten 324 Volksvertreter. Enthaltungen gab es zwölf.

Auch eine gemeinsame Verhandlungsposition hat im Anschluss eine Mehrheit gefunden. Details hierzu sollten im Laufe des Nachmittags bekanntgegeben werden. Damit können nach der Sommerpause die Gespräche im Trilog mit dem Rat und der Kommission über das umstrittene EU-Gesetz beginnen. Der von der Kommission im Juni vorigen Jahres vorgelegte NRL-Entwurf sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt zehn Prozent der Agrarflächen in der Europäischen Union mit Landschaftselementen im Sinne des Naturschutzes aufgewertet werden sollen. Dies bedeutet laut der Brüsseler Behörde aber nicht zwangsläufig eine Stilllegung. Von der Kommission wurde mehrfach betont, dass es sich hierbei zunächst um einen Richtwert handelt, um die von den Mitgliedstaaten zu erbringenden Maßnahmen zu bewerten. Als gesetzliche Zielmarke verankert werden solle der Wert nicht. Insgesamt sollen nach dem Willen der EU-Behörde bis einschließlich 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der Union Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur durchgeführt werden.

Der Umweltrat hatte sich im Namen der Mitgliedstaaten  bereits vor einigen Wochen auf eine gemeinsame Position verständigt. Für die Landwirtschaft ist vor allem die Forderung nach einer Moorwiedervernässung von Brisanz. Der Umweltrat will hier jedoch die Zielvorgaben der Kommission aufweichen. Damit tragen die Umweltminister der Tatsache Rechnung, dass einige Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, von diesen Verpflichtungen „unverhältnismäßig stark“ betroffen wären. Der Rat legte in seinem Verhandlungsstandpunkt fest, dass 30 Prozent der entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Moore bis 2030 wiederhergestellt werden. Und bis 2050 soll es die Hälfte sein. Für Mitgliedstaaten, die stark betroffen sind, sollen gegebenenfalls auch niedrigere Prozentsätze gelten.

Die Kommission fordert ebenfalls, dass bis Ende dieses Jahrzehnts 30 Prozent der entwässerten Torfgebiete, die derzeit landwirtschaftlich genutzt werden, wiederhergestellt werden. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts sollen es den Brüsseler Beamten zufolge allerdings 70 Prozent sein. Dies gilt allerdings nicht für jeden Mitgliedstaat, sondern betrifft die Gesamtfläche der EU.