Natur & Umwelt Nutztiere

Kommentar: Zu niedlich, um die Welt zu retten

Der klassische Stallhase, der eigentlich schon immer ein Kaninchen war, ist heutzutage in Deutschland kaum noch anzutreffen.

Man findet nur seine verniedlichten Vettern, die von der Größe her zwar niedlich sind, aber für einen Braten nichts taugen. Wurde doch noch vor einigen Jahrzehnten der „Deutsche Riese“ zu Ostern von den Eltern im Garten ausgesetzt, um dem imaginären Osterhasen ein stichfestes Alibi zu verschaffen, mümmeln dort heutzutage, wenn überhaupt, flauschige Zwergkaninchen das überteuerte Bergwiesenheu aus dem Supermarkt. Im Laufe der Wohlstandstransformation und bei steigendem Angebot an küchenfertigem Fleisch wurde der Stallhase auf einmal viel zu niedlich und zu aufwendig, um ihn im Sinne der Fleischproduktion zu halten. Dabei gibt ein fettes Karnickel nicht nur einen glaubwürdigen Osterhasen und einen schmackhaften Sonntagsbraten ab. Er lieferte auch, so las ich in einem Lehrbuch für Jungbauern aus den 50er-Jahren, das perfekte Ausgangsmaterial für Kindermäntel. Ganz nüchtern betrachtet kann kaum ein anderes Nutztier mit so wenig Input so viele Proteine je Quadratmeter produzieren, wie es das Karnickel kann. Steckt im Osterhasen doch der Schlüssel zur Sicherung der Welternährung? Nicht zuletzt wurde das Karnickelfutter damals nicht im Supermarkt gekauft, sondern selbst geerntet. Die spezielle Wiesennutzung schuf Biodiversität. Da der Mist nicht in der Biotonne landete, hielt man den Nährstoffkreislauf auf dem Hof – auch das förderte die Insekten. Früher war nicht alles besser, aber anders. Der Stallhase ist nur ein Beleg dafür, dass sich die Gesellschaft von Unliebsamem getrennt hat, das eigentlich viele Vorteile hatte, die man jetzt schmerzlich vermisst. Darum gibt es wieder Schlachtkurse für jedermann. Das wäre doch mal ein schönes Ostergeschenk.

Elsner

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