Natur & Umwelt Verbandsarbeit

Kommentar: Wenn sich Wünsche der Gesellschaft beißen

Seit Januar dieses Jahres ist Weidehaltung in der ökologischen Rinderhaltung Pflicht. Eine Ausnahme gilt für Bullen über zwölf Monate – dann muss ihnen aber ganzjährig ein Auslauf zur Verfügung stehen. Weibliche Tiere, ob Mast-, Mutter- oder Milchkühe, ohne Weide zu halten, ist nicht mehr zulässig. Das entspricht wohl den Wünschen der Gesellschaft. Was gerne übersehen wird: Wenn der Wunsch geäußert wird, beißt  er sich mit anderen Ansprüchen, die die Gesellschaft hat. Die Landwirtschaft soll bitte kleinstrukturiert sein, die Nebenerwerbsbetriebe sollen erhalten bleiben. Die Milchvieh-Bruderkälber sollen bitte im Land bleiben und aufgezogen werden. 30 Prozent Bio in Baden-Württemberg werden gewünscht, am besten noch mehr. Der Wolf soll auch hier leben dürfen.  Die Tiere sollen nicht auf der Weide stehen, wenn es zu kalt, zu heiß ist oder regnet. Da beschwert man sich auch gerne mal beim Landwirt. Nebenerwerbslandwirte, also die kleinen Betriebe, die für unser Landschaftsbild und für die Biodiversität unerlässlich sind, sind aber die ersten, die bei diesen neuen Vorgaben über eine Rückumstellung oder das Aufhören nachdenken. Der Bau eines Laufhofs ist für viele Betriebe nicht umsetzbar, sei es finanziell beziehungsweise topografisch oder baulich bedingt. Eine Bullenherde auf die Weide zu stellen, da sagen die meisten landwirtschaftlichen Praktiker: unmöglich. Daher wird das Problem der Milchvieh-Bruderkälber wieder verstärkt. Dann kommt noch der Wolf dazu, sodass man sich um die Tiere auf der Weide auch noch sorgen muss. Ganz schön Idealismus braucht es von der jungen Generation, um heute noch in die Landwirtschaft einzusteigen. Und dennoch die Bitte an die Jungen: Macht den Mund auf und macht weiter! Denn von euch hängt die Zukunft ab, und eine Zukunft ohne Landwirtschaft in Baden-Württemberg möchte keiner. Es gilt aufzuzeigen, was sich in Sachen Tierwohl in den vergangenen  20 Jahren alles getan hat (sehr viel!), sowie Verbraucheransprüche und die Realität in der Landwirtschaft zusammenzubringen.  

Jennifer Shuler