Es braucht mindestens 2000 Jahre, bis aus rohem Gestein zehn Zentimeter fruchtbarer Ackerboden entstanden sind. In lächerlich kurzer Zeit können Baumaschinen und Betonmischer dieses Meisterwerk der Natur vernichten.
Natürlich finden das die Bürgerinnen und Bürger nicht so toll, aber eine entrüstete Betroffenheit ist nicht zu spüren. Das liegt vor allem daran, dass der Wert von Boden leider schwer in Bilder gefasst werden kann. Er findet sich fast nur in nüchternen Fakten. Allein die enorme Artenvielfalt im Boden könnte einen sofortigen Stopp des Flächenverbrauchs begründen. Fünf Tonnen Lebendgewicht bringen die Bodenorganismen aus einem Hektar Acker auf die Waage, und sogar unter der Fläche einer Schuhsohle tummeln sich mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt. Allein deshalb müssten sich PETA-Mitglieder mit Erdhaken auf jedem neu erschlossenen Baugebiet festketten, um die Zerstörung dieses Lebensraumes zu verhindern. Zehntausende fanden sich im vergangenen Jahr im Hambacher Forst wieder, um im Namen des Klimaschutzes gegen seine Abholzung zu demonstrieren. Aber Klimaschutz ist nicht nur Kohleausstieg. Nach den Ozeanen sind Böden die wichtigsten CO2-Speicher unserer Erde. Obendrauf kann durch Energiepflanzenanbau pro Hektar eine CO2-Minderung von sieben Tonnen pro Hektar und Jahr erzielt werden. Das macht den Flächenverbrauch zu einem echten Klimasünder, der sich seine Absolution durch den Wohnraumbedarf erkauft. Nicht zuletzt ist Boden die Grundlage für über 90 Prozent unserer Lebensmittel. Dass Boden unsere Ernährung sichert, ist eigentlich so offensichtlich, dass es peinlich ist, es erklären zu müssen. Trotzdem hört man nicht auf, Supermärkte zu bauen, um Lebensmittel kaufen zu können, die eigentlich dort wachsen sollten, wo der Supermarkt steht. Und das alles läuft fast selbstverständlich ab. Der Mangel an Wohnraum kann eine Entschuldigung für Flächenverbrauch sein, unentschuldbar ist aber die Leichtfertigkeit, mit der unsere Gesellschaft den Flächenverbrauch hinnimmt.
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