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Europäischer Pflanzenschutz – ein Rohrkrepierer

Gastkommentar von Gerhard Bronner, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbands

Die Gesetz- und Verordnungsgebung der EU ist sonst sehr für ihre Schwerfälligkeit bekannt, was auch an langwierigen Abstimmungen verschiedener Ressorts liegt. Da ist es schwer verständlich, dass ein so unausgegorener Verordnungsentwurf  wie der der „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ veröffentlicht wird und in die Anhörungen geht. Er weist eine Reihe handwerklicher Fehler und unangemessener Vorgehensweisen auf und ist geeignet, das Pflänzlein des gegenseitigen Vertrauens zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zu ersticken. Für uns Baden-Württemberger ist frappierend, dass alle Fehler, die beim Volksantrag „Rettet die Bienen“ gemacht und mit dem Biodiversitäts-Stärkungsgesetz ausgebügelt wurden, hier wiederholt werden. Das fängt an mit dem Begriff „Pflanzenschutzmittel“, die in Schutzgebieten verboten werden sollen. Er  unterscheidet nicht zwischen chemisch-synthetischen Mitteln unterschiedlicher Gefährlichkeit und umfasst auch solche,  die im Ökolandbau eingesetzt werden. Das Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln soll gelten in sogenannten „sensiblen Gebieten“, zu denen Wasserschutzgebiete, Natura-2000-Gebiete, unter sonstigem Naturschutz stehende Gebiete und nährstoffsensible Gebiete nach Wasserrahmenrichtlinie gehören. Diese Gebiete umfassen in Baden Württemberg alle Ackerflächen, da die gesamte Landesfläche als nährstoffsensibles Gebiet ausgewiesen ist. Da dies nicht in allen Mitgliedsstaaten so großzügig gehandhabt wird, würden sich erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen den EU-Staaten ergeben – vom Weltmarkt ganz zu schweigen.

Biolandbau für alle per Verordnung und auch noch ohne Pflanzenschutz – dass das keine gute Idee ist, sagen neben den Bauernverbänden und dem Bundesrat auch die Bioverbände. Die Auswirkungen auf unsere landwirtschaftlichen Betriebe und den Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln kann man sich ausmalen. Dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden soll, ist beschlossene Sache. Das finden wir als Naturschützer gut. Dies sollte aber durch eine differenzierte Politik geschehen, die zwischen der Gefährlichkeit verschiedener Stoffe unterscheidet, sich auf anspruchsvollen integrierten Pflanzenschutz stützt und den Biolandbau mit Anreizen fördert. Man fragt sich, was sich die Generaldirektion Gesundheit bei diesem Verordnungsentwurf gedacht hat. Er wird so nicht kommen – das steht mittlerweile fest. Doch schon jetzt hat er Porzellan zerschlagen. Welcher Landwirt wird es einem Naturschützer noch glauben, wenn mit dem Argument der Beibehaltung der bisherigen Bewirtschaftung für Schutzgebiete geworben wird? Es wird schwierig, dieses Porzellan wieder zu kitten.