Bis Mitte nächsten Jahres soll eine Stufe 2 für QM-Milch erarbeitet werden. Dabei geht es dem Lebensmitteleinzelhandel um das Thema Tierwohl. Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) stellt den Stand der Diskussion dazu dar.
Seit Januar gilt für die deutschen Milcherzeuger der neue Standard QM-Milch 2020. Neben dieser mittlerweile bewährten Prozessdokumentation Milch werden aber bereits in und mit anderen Organisationen und Initiativen weitergehende Diskussionen geführt, weil sich Milcherzeugung und Haltung von Nutztieren nicht mehr trennen lassen: Die Kooperation von QM-Milch mit der QS-GmbH über die Vermarktung von Schlachtkühen hat sich seit 14 Jahren bewährt.
LEH tritt vermehrt in Erscheinung
Jetzt tritt vermehrt auch der Lebensmitteleinzelhandel in Erscheinung. Die Initiative Tierwohl Rind sowie die Kennzeichnung der Haltungsform sind dessen Aktivitäten und müssen jetzt im Sinne der Landwirtschaft mitgestaltet werden. Neben der Anpassung und Aktualisierung der jeweils gültigen Gesetze und Verordnungen hat bei QM-Milch 2020 vor allem der Kriterienbereich „Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere“, kurz „Tierwohl/Tierschutz“, eine spürbare Ausweitung erfahren. Ohne Zweifel hat die Einführung der drei Fokusbereiche „Tierschutz“, „Milchhygiene“ und „Betriebliches Umfeld “ zu einer Verschärfung des Standards beigetragen, denn auch in diesen Teilbereichen müssen jetzt Mindestpunktzahlen erreicht werden.
Während bei der Mindestpunktzahl für das Gesamtaudit Scheitern eher selten ist, ist dies bei den drei Einzelbereichen anders – und folgenreich, denn es verkürzt das Prüfintervall auf 18 Monate. Aber dieses risikoorientierte Vorgehen war auch die Zielsetzung bei der Revision des neuen Standards, um für den Großteil der Milcherzeuger weiterhin das Drei-Jahres-Prüfintervall weiterführen zu können. Während der neue Standard QM-Milch 2020 nun die kommenden Jahre die Messlatte für die bundesweiten Audits sein wird, wird bereits kräftig an der Weiterentwicklung von QM Milch gearbeitet. Seit Juni ist mit dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) ein gewichtiger Akteur der Wertschöpfungskette mit im Boot von QM-Milch vertreten und meldet seine Ansprüche bei der Weiterentwicklung an. Die Erzeugerseite kann als Akteur von QM-Milch die Diskussion mitbestimmen, auch wenn das nicht jedem Milcherzeuger einleuchten mag.
Worum geht es bei der aktuellen Diskussion? Mit der Aufnahme des Lebensmitteleinzelhandels in die Gremien von QM-Milch ist von den nun vier Trägerverbänden auch eine Absichtserklärung über die Weiterentwicklung von QM-Milch unterzeichnet worden. So soll zukünftig das Logo von QM-Milch als Label auf Milchpackungen ausgelobt werden können. Mit der Auslobung verbunden sein wird auch die Vorgabe, dass importierte Milch unter einem mit QM-Milch vergleichbaren System bzw. Standard erzeugt worden ist, eine von Erzeugerseite immer wieder vorgebrachte Forderung.
Mehr an Tierwohl und Tiergesundheit
Und es geht auch um ein Mehr an Tierwohl und Tiergesundheit. Für dieses Ziel wird spätestens bis Mitte 2021 unter dem Arbeitstitel „QM-Stufe 2“ ein Zusatzmodul erarbeitet, mit dem die Einhaltung noch strengerer Vorgaben für Tiergesundheit und Tierwohl gekennzeichnet werden soll. Dafür sagt der Handel einen noch zu definierenden Preisaufschlag zu, das ist auch Bestandteil der bereits erwähnten Absichtserklärung. Vor dem Aufschlag kommt aber das harte Ringen um die angesprochenen Standards: Dieses Mehr an Tierwohl soll nach Willen des Lebensmitteleinzelhandels auch mit den von ihm selbst initiierten Haltungsformstufen verknüpft werden. Konkret: Milchkühe finden nach der Karriere als Milchproduzentinnen vor allem auch in Bayern und Baden-Württemberg mit einem hohen Anteil Zweinutzungsrassen noch eine finale, auch ökonomisch wertvolle Verwendung als Rind- beziehungsweise Kuhfleisch. Und das soll zukünftig Ausdruck finden durch die Eingruppierung in die Haltungsformstufen 1 bis 4. Um es nochmals deutlich zu sagen: Die Initiative rund um die Diskussion um ein „QM-Stufe 2“ und der Haltungskennzeichnung von Rind- und Kuhfleisch geht ausschließlich vom Lebensmitteleinzelhandel aus, der auch einen Antrag an die bisher vornehmlich aus dem Bereich Schwein und Geflügel bekannte Initiative Tierwohl gestellt hat, sich auch mit einer Initiative Rind beziehungsweise Rindfleisch beschäftigen zu wollen.
Anfang Mai wurde zu diesem Zweck eine bundesweite Arbeitsgruppe aus Vertretern der Land- und Fleischwirtschaft sowie des Lebensmitteleinzelhandels gebildet, der zukünftig auch die Molkereiwirtschaft angehören wird. Es wurde bereits erreicht, dass der Entwurf eines anfangs gemeinsamen Kriterienkatalogs Rind bereits in drei Teilbereiche mit Kälbermast, Rindermast und Milchviehhaltung differenziert werden konnte. Diese Arbeitsgruppe wird in den kommenden Monaten zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen (müssen).
Erheblicher Abstimmungsbedarf
Es muss im Sinne der Milchviehhalter dafür Sorge getragen werden, dass die Initiative Tierwohl (ITW) Rind mit bereits bestehenden Programmen und Standards der QS GmbH und natürlich auch QM-Milch abgestimmt wird. Genauso gilt ein Augenmerk darauf zu richten, dass die vom Lebensmittelhandel initiierten Stufen der Haltungskennzeichnung die Situation der bayerischen und süddeutschen Betriebe ausreichend berücksichtigen. Dabei dürfte es kein großes Geheimnis sein, dass das leidige Thema „ganzjährige Anbindehaltung“ nicht nur mit dem Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch mit der nord- und westdeutschen Milchwelt sehr kontrovers diskutiert wird. Dabei gilt die jetzt genau ein Jahr alte Vereinbarung der baden-württembergischen und bayerischen Milchwirtschaft über die Definition einer Kombihaltung, mit verschiedenen Varianten an Bewegungsmöglichkeiten, als Richtschnur.
Und so dürfte es auch nachvollziehbar sein, dass vor allem die süddeutschen Vertreter darauf beharren, dass ein bestandenes Audit QM-Milch auf der Grundlage des Standards 2020 die Eintrittskarte für eine Einstufung in die Haltungsform 1 („Stallhaltung“) sein muss, auch für Erzeugnisse der Kategorie „Eigenmarken des Handels“. Die süddeutsche Definition der Kombihaltung, mit allen Möglichkeiten von Bewegung, auch über Laufhöfe, muss eine Einstufung in Haltungsform 2 („StallhaltungPlus“) gewährleisten.
Es werden bewegte Zeiten für Milchviehalter
Dass im Zuge der laufenden Diskussion rund um die Weiterentwicklung von QM-Milch und auch als Folge der medialen Berichterstattung über die Milchviehhaltung im vergangenen Jahr bereits ein Pilotprojekt zur Erhebung von Schlachtbefunddaten in Zusammenarbeit mit der QS GmbH initiiert ist und möglicherweise in naher Zukunft ein ebensolches Pilotprojekt „Antibiotikamonitoring in Milchviehbetrieben“ umgesetzt wird, sei nur am Rande erwähnt. Es werden bewegte Zeiten für die Milchviehalter. Nicht überraschend, nachdem die Diskussion um das Tierwohl auch die Milchviehseite voll erreicht hat. Um die Rollenverteilung zu verdeutlichen, sei ein Vergleich zum aktuell wieder diskutierten Tempolimit auf Autobahnen herangezogen: Während die Erzeugerseite auf ein Tempolimit setzt und mit allen Mitteln versucht, den laufenden Prozess der Wirtschaftsakteure zu „entschleunigen“, will vor allem der Lebensmitteleinzelhandel „gehörig PS auf die Straße bringen“, soll heißen: seine Interessen lieber gestern als morgen umgesetzt wissen.
Hans-Jürgen Seufferlein
Bis Mitte nächsten Jahres soll eine Stufe 2 für QM-Milch erarbeitet werden. Dabei geht es dem Lebensmitteleinzelhandel um das Thema Tierwohl. Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) stellt den Stand der Diskussion dazu dar.
Seit Januar gilt für die deutschen Milcherzeuger der neue Standard QM-Milch 2020. Neben dieser mittlerweile bewährten Prozessdokumentation Milch werden aber bereits in und mit anderen Organisationen und Initiativen weitergehende Diskussionen geführt, weil sich Milcherzeugung und Haltung von Nutztieren nicht mehr trennen lassen: Die Kooperation von QM-Milch mit der QS-GmbH über die Vermarktung von Schlachtkühen hat sich seit 14 Jahren bewährt.
LEH tritt vermehrt in Erscheinung
Jetzt tritt vermehrt auch der Lebensmitteleinzelhandel in Erscheinung. Die Initiative Tierwohl Rind sowie die Kennzeichnung der Haltungsform sind dessen Aktivitäten und müssen jetzt im Sinne der Landwirtschaft mitgestaltet werden. Neben der Anpassung und Aktualisierung der jeweils gültigen Gesetze und Verordnungen hat bei QM-Milch 2020 vor allem der Kriterienbereich „Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere“, kurz „Tierwohl/Tierschutz“, eine spürbare Ausweitung erfahren. Ohne Zweifel hat die Einführung der drei Fokusbereiche „Tierschutz“, „Milchhygiene“ und „Betriebliches Umfeld “ zu einer Verschärfung des Standards beigetragen, denn auch in diesen Teilbereichen müssen jetzt Mindestpunktzahlen erreicht werden.
Während bei der Mindestpunktzahl für das Gesamtaudit Scheitern eher selten ist, ist dies bei den drei Einzelbereichen anders – und folgenreich, denn es verkürzt das Prüfintervall auf 18 Monate. Aber dieses risikoorientierte Vorgehen war auch die Zielsetzung bei der Revision des neuen Standards, um für den Großteil der Milcherzeuger weiterhin das Drei-Jahres-Prüfintervall weiterführen zu können. Während der neue Standard QM-Milch 2020 nun die kommenden Jahre die Messlatte für die bundesweiten Audits sein wird, wird bereits kräftig an der Weiterentwicklung von QM Milch gearbeitet. Seit Juni ist mit dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) ein gewichtiger Akteur der Wertschöpfungskette mit im Boot von QM-Milch vertreten und meldet seine Ansprüche bei der Weiterentwicklung an. Die Erzeugerseite kann als Akteur von QM-Milch die Diskussion mitbestimmen, auch wenn das nicht jedem Milcherzeuger einleuchten mag.
Worum geht es bei der aktuellen Diskussion? Mit der Aufnahme des Lebensmitteleinzelhandels in die Gremien von QM-Milch ist von den nun vier Trägerverbänden auch eine Absichtserklärung über die Weiterentwicklung von QM-Milch unterzeichnet worden. So soll zukünftig das Logo von QM-Milch als Label auf Milchpackungen ausgelobt werden können. Mit der Auslobung verbunden sein wird auch die Vorgabe, dass importierte Milch unter einem mit QM-Milch vergleichbaren System bzw. Standard erzeugt worden ist, eine von Erzeugerseite immer wieder vorgebrachte Forderung.
Mehr an Tierwohl und Tiergesundheit
Und es geht auch um ein Mehr an Tierwohl und Tiergesundheit. Für dieses Ziel wird spätestens bis Mitte 2021 unter dem Arbeitstitel „QM-Stufe 2“ ein Zusatzmodul erarbeitet, mit dem die Einhaltung noch strengerer Vorgaben für Tiergesundheit und Tierwohl gekennzeichnet werden soll. Dafür sagt der Handel einen noch zu definierenden Preisaufschlag zu, das ist auch Bestandteil der bereits erwähnten Absichtserklärung. Vor dem Aufschlag kommt aber das harte Ringen um die angesprochenen Standards: Dieses Mehr an Tierwohl soll nach Willen des Lebensmitteleinzelhandels auch mit den von ihm selbst initiierten Haltungsformstufen verknüpft werden. Konkret: Milchkühe finden nach der Karriere als Milchproduzentinnen vor allem auch in Bayern und Baden-Württemberg mit einem hohen Anteil Zweinutzungsrassen noch eine finale, auch ökonomisch wertvolle Verwendung als Rind- beziehungsweise Kuhfleisch. Und das soll zukünftig Ausdruck finden durch die Eingruppierung in die Haltungsformstufen 1 bis 4. Um es nochmals deutlich zu sagen: Die Initiative rund um die Diskussion um ein „QM-Stufe 2“ und der Haltungskennzeichnung von Rind- und Kuhfleisch geht ausschließlich vom Lebensmitteleinzelhandel aus, der auch einen Antrag an die bisher vornehmlich aus dem Bereich Schwein und Geflügel bekannte Initiative Tierwohl gestellt hat, sich auch mit einer Initiative Rind beziehungsweise Rindfleisch beschäftigen zu wollen.
Anfang Mai wurde zu diesem Zweck eine bundesweite Arbeitsgruppe aus Vertretern der Land- und Fleischwirtschaft sowie des Lebensmitteleinzelhandels gebildet, der zukünftig auch die Molkereiwirtschaft angehören wird. Es wurde bereits erreicht, dass der Entwurf eines anfangs gemeinsamen Kriterienkatalogs Rind bereits in drei Teilbereiche mit Kälbermast, Rindermast und Milchviehhaltung differenziert werden konnte. Diese Arbeitsgruppe wird in den kommenden Monaten zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen (müssen).
Erheblicher Abstimmungsbedarf
Es muss im Sinne der Milchviehhalter dafür Sorge getragen werden, dass die Initiative Tierwohl (ITW) Rind mit bereits bestehenden Programmen und Standards der QS GmbH und natürlich auch QM-Milch abgestimmt wird. Genauso gilt ein Augenmerk darauf zu richten, dass die vom Lebensmittelhandel initiierten Stufen der Haltungskennzeichnung die Situation der bayerischen und süddeutschen Betriebe ausreichend berücksichtigen. Dabei dürfte es kein großes Geheimnis sein, dass das leidige Thema „ganzjährige Anbindehaltung“ nicht nur mit dem Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch mit der nord- und westdeutschen Milchwelt sehr kontrovers diskutiert wird. Dabei gilt die jetzt genau ein Jahr alte Vereinbarung der baden-württembergischen und bayerischen Milchwirtschaft über die Definition einer Kombihaltung, mit verschiedenen Varianten an Bewegungsmöglichkeiten, als Richtschnur.
Und so dürfte es auch nachvollziehbar sein, dass vor allem die süddeutschen Vertreter darauf beharren, dass ein bestandenes Audit QM-Milch auf der Grundlage des Standards 2020 die Eintrittskarte für eine Einstufung in die Haltungsform 1 („Stallhaltung“) sein muss, auch für Erzeugnisse der Kategorie „Eigenmarken des Handels“. Die süddeutsche Definition der Kombihaltung, mit allen Möglichkeiten von Bewegung, auch über Laufhöfe, muss eine Einstufung in Haltungsform 2 („StallhaltungPlus“) gewährleisten.
Es werden bewegte Zeiten für Milchviehalter
Dass im Zuge der laufenden Diskussion rund um die Weiterentwicklung von QM-Milch und auch als Folge der medialen Berichterstattung über die Milchviehhaltung im vergangenen Jahr bereits ein Pilotprojekt zur Erhebung von Schlachtbefunddaten in Zusammenarbeit mit der QS GmbH initiiert ist und möglicherweise in naher Zukunft ein ebensolches Pilotprojekt „Antibiotikamonitoring in Milchviehbetrieben“ umgesetzt wird, sei nur am Rande erwähnt. Es werden bewegte Zeiten für die Milchviehalter. Nicht überraschend, nachdem die Diskussion um das Tierwohl auch die Milchviehseite voll erreicht hat. Um die Rollenverteilung zu verdeutlichen, sei ein Vergleich zum aktuell wieder diskutierten Tempolimit auf Autobahnen herangezogen: Während die Erzeugerseite auf ein Tempolimit setzt und mit allen Mitteln versucht, den laufenden Prozess der Wirtschaftsakteure zu „entschleunigen“, will vor allem der Lebensmitteleinzelhandel „gehörig PS auf die Straße bringen“, soll heißen: seine Interessen lieber gestern als morgen umgesetzt wissen.
Hans-Jürgen Seufferlein