Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „BZ-Hautnah“ der Badischen Zeitung fand am 25. September in Freiburg eine Podiumsdiskussion zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ statt. Thema des Abends: „Auf Konfliktkurs“.
Der Andrang im Friedrichsbau war so groß, dass nicht alle Interessenten eingelassen werden konnten. Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU Baden-Württemberg und damit einer der Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“, betonte im Rahmen der Veranstaltung, dass mit der Aktion zwei Ziele verfolgt würden.
Einerseits komme die Verringerung des chemischen Pflanzenschutzes seit Jahrzehnten nicht voran – trotz aller Bemühungen der Naturschutzverbände und der Impulse, die sie immer wieder in die Landwirtschaft hinein gegeben hätten. Enssle warf in diesem Zusammenhang den nationalen und europäischen Zulassungsbehörden vor, nicht sauber zu arbeiten. Man ergreife mit dem Volksbegehren deshalb die vom Gesetzgeber eingeräumte Option, auf Länderebene den chemischen Pflanzenschutz in Schutzgebieten stark einzuschränken, um mit diesem dringenden Anliegen endlich von der Stelle zu kommen. Andererseits sei ein Stopp des Höfesterbens und auch der Erhalt bäuerlicher Strukturen ein wichtiges Anliegen der Unterschriftenaktion.
Pro und contra Pflanzenschutzmittel
Dass Pflanzenschutzmittel Insekten und Bienen unter bestimmten Bedingungen schädigen können, wurde bei der Podiumsdiskussion nicht infrage gestellt. Dass sie jedoch nicht alleine verantwortlich gemacht werden sollten für das Insektensterben, machte der Imker Manfred Kraft an einem Beispiel deutlich. Bereits vor der Einführung der insektenschonenden, flächendeckenden Bekämpfung des Traubenwicklers im Weinbau mit Pheromonen seit den 80er-Jahren, solange also noch Insektizide zur Anwendung kamen, sei die Artenvielfalt der Wildbienen im Kaiserstuhl genauso hoch gewesen wie heute. Ackerbauer Stefan Leichenauer reklamierte, dass er in den vergangenen Jahren den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aus eigenem Antrieb um 20 bis 30 Prozent heruntergefahren habe, solche Fortschritte aber von den Natur- und Umweltschützern nicht gewürdigt würden. Auch Weinbauberater Hansjörg Stücklin erinnerte an die erfolgreichen Bemühungen, Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter im Weinbau noch gezielter, effektiver und mit geringem Mitteleinsatz zu bekämpfen, zum Beispiel mit ausgefeilter Applikationstechnik und Online-Prognosemodellen für Pilzinfektionen.
Zwei Schritte vor, dann einen zurück?
Johannes Enssle versuchte, die Kritik am Verbot von Pflanzenschutzmitteln in allen Schutzgebieten – FFH, Landschafts- und Naturschutzgebiete, Vogelschutzgebiete etc. – zu entkräften, indem er auf die im Volksbegehren vorgesehene Möglichkeit verwies, von Fall zu Fall einzelbetriebliche Sondergenehmigungen zum Spritzen zu beantragen. Außerdem könnten die Regierungspräsidien Wirkstoffe und Präparate benennen, die dann in den Schutzgebieten generell erlaubt seien.
BLHV-Präsident Werner Räpple erinnerte im Gegenzug daran, welche negativen Erfahrungen der Berufsstand immer wieder mit betrieblichen Einzelgenehmigungen zum Beispiel für den Einsatz von ausländischen Saisonarbeitskräften gemacht habe. Wer als Winzer pünktlich zur Weinlese Anträge bei den Behörden gestellt habe, habe regelmäßig die Genehmigung erst nach Abschluss der Arbeiten in Händen gehalten. Ein solcher Zeitverzug sei bei der Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten im Wein,- Obst- und Gemüsebau ein Ding der Unmöglichkeit. Bei einem drohenden Befall mit der Kirschfrucht- oder Kirschessigfliege habe man nur ganz wenige Tage Zeit, um mit Insektiziden einzugreifen. Danach sei der Schaden gesetzt und die Ware unverkäuflich. Gleiches gelte zum Beispiel bei der Schorfbekämpfung im Obstbau – hier gehe es oft um Stunden. Außerdem sei den Landwirten bei der Ausweisung zum Beispiel der großflächigen Schutzgebiete im Kaiserstuhl fest zugesagt worden, dass sie ihre Flächen weiterbewirtschaften könnten wie bisher, gerade weil ihre Art der Landschaftspflege durch Bewirtschaftung ja überhaupt erst die Artenvielfalt hervorgebracht habe. Es könne doch nicht sein, dass diese Zusagen jetzt durch das Volksbegehren gebrochen würden, reklamierte Räpple.
Kulturlandschaft und Marktmechanismen
Einigkeit über alle unterschiedlichen Positionen hinweg bestand bei der BZ-Veranstaltung dahingehend, dass eine vielfältige Landschaftsstruktur unverzichtbar ist, um dem Arten- und Insektensterben gegenzusteuern. Ebenso unbestritten war, dass dafür möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe erhalten bleiben sollen. Wie jedoch dieses Ziel zu erreichen ist, fand ziemlich konträre Anworten – Markt oder staatliche Interventionen. Einerseits berichtete Stefan Leichenauer, dass sein 150-Hektar-Betrieb mit Bullenmast heute schon wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehe. Er habe sich deshalb auch schon mit dem Gedanken getragen, auf Bioproduktion umzusteigen, und entsprechende Erkundigungen eingeholt. Die Berater der Bioverbände hätten ihm zwar zugeraten. Doch die Vermarkter, die ihm seine Ware schließlich abkaufen müssten, hätten abgewinkt: Der Markt für Biogetreide könne vorläufig keine weitere Ware aufnehmen. Andererseits sprach sich Johannes Enssle dafür aus, die deutsche Landwirtschaft vom europäischen und globalen Agrarmarkt abzukoppeln, indem Gesellschaft und Verbraucher über ordnungspolitische Maßnahmen dazu gebracht werden, die teureren Bioprodukte verstärkt zu kaufen und dadurch die vielfältige Landwirtschaft im Land zu stärken und zu erhalten.
Gernot Raiser
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „BZ-Hautnah“ der Badischen Zeitung fand am 25. September in Freiburg eine Podiumsdiskussion zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ statt. Thema des Abends: „Auf Konfliktkurs“.
Der Andrang im Friedrichsbau war so groß, dass nicht alle Interessenten eingelassen werden konnten. Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU Baden-Württemberg und damit einer der Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“, betonte im Rahmen der Veranstaltung, dass mit der Aktion zwei Ziele verfolgt würden.
Einerseits komme die Verringerung des chemischen Pflanzenschutzes seit Jahrzehnten nicht voran – trotz aller Bemühungen der Naturschutzverbände und der Impulse, die sie immer wieder in die Landwirtschaft hinein gegeben hätten. Enssle warf in diesem Zusammenhang den nationalen und europäischen Zulassungsbehörden vor, nicht sauber zu arbeiten. Man ergreife mit dem Volksbegehren deshalb die vom Gesetzgeber eingeräumte Option, auf Länderebene den chemischen Pflanzenschutz in Schutzgebieten stark einzuschränken, um mit diesem dringenden Anliegen endlich von der Stelle zu kommen. Andererseits sei ein Stopp des Höfesterbens und auch der Erhalt bäuerlicher Strukturen ein wichtiges Anliegen der Unterschriftenaktion.
Pro und contra Pflanzenschutzmittel
Dass Pflanzenschutzmittel Insekten und Bienen unter bestimmten Bedingungen schädigen können, wurde bei der Podiumsdiskussion nicht infrage gestellt. Dass sie jedoch nicht alleine verantwortlich gemacht werden sollten für das Insektensterben, machte der Imker Manfred Kraft an einem Beispiel deutlich. Bereits vor der Einführung der insektenschonenden, flächendeckenden Bekämpfung des Traubenwicklers im Weinbau mit Pheromonen seit den 80er-Jahren, solange also noch Insektizide zur Anwendung kamen, sei die Artenvielfalt der Wildbienen im Kaiserstuhl genauso hoch gewesen wie heute. Ackerbauer Stefan Leichenauer reklamierte, dass er in den vergangenen Jahren den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aus eigenem Antrieb um 20 bis 30 Prozent heruntergefahren habe, solche Fortschritte aber von den Natur- und Umweltschützern nicht gewürdigt würden. Auch Weinbauberater Hansjörg Stücklin erinnerte an die erfolgreichen Bemühungen, Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter im Weinbau noch gezielter, effektiver und mit geringem Mitteleinsatz zu bekämpfen, zum Beispiel mit ausgefeilter Applikationstechnik und Online-Prognosemodellen für Pilzinfektionen.
Zwei Schritte vor, dann einen zurück?
Johannes Enssle versuchte, die Kritik am Verbot von Pflanzenschutzmitteln in allen Schutzgebieten – FFH, Landschafts- und Naturschutzgebiete, Vogelschutzgebiete etc. – zu entkräften, indem er auf die im Volksbegehren vorgesehene Möglichkeit verwies, von Fall zu Fall einzelbetriebliche Sondergenehmigungen zum Spritzen zu beantragen. Außerdem könnten die Regierungspräsidien Wirkstoffe und Präparate benennen, die dann in den Schutzgebieten generell erlaubt seien.
BLHV-Präsident Werner Räpple erinnerte im Gegenzug daran, welche negativen Erfahrungen der Berufsstand immer wieder mit betrieblichen Einzelgenehmigungen zum Beispiel für den Einsatz von ausländischen Saisonarbeitskräften gemacht habe. Wer als Winzer pünktlich zur Weinlese Anträge bei den Behörden gestellt habe, habe regelmäßig die Genehmigung erst nach Abschluss der Arbeiten in Händen gehalten. Ein solcher Zeitverzug sei bei der Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten im Wein,- Obst- und Gemüsebau ein Ding der Unmöglichkeit. Bei einem drohenden Befall mit der Kirschfrucht- oder Kirschessigfliege habe man nur ganz wenige Tage Zeit, um mit Insektiziden einzugreifen. Danach sei der Schaden gesetzt und die Ware unverkäuflich. Gleiches gelte zum Beispiel bei der Schorfbekämpfung im Obstbau – hier gehe es oft um Stunden. Außerdem sei den Landwirten bei der Ausweisung zum Beispiel der großflächigen Schutzgebiete im Kaiserstuhl fest zugesagt worden, dass sie ihre Flächen weiterbewirtschaften könnten wie bisher, gerade weil ihre Art der Landschaftspflege durch Bewirtschaftung ja überhaupt erst die Artenvielfalt hervorgebracht habe. Es könne doch nicht sein, dass diese Zusagen jetzt durch das Volksbegehren gebrochen würden, reklamierte Räpple.
Kulturlandschaft und Marktmechanismen
Einigkeit über alle unterschiedlichen Positionen hinweg bestand bei der BZ-Veranstaltung dahingehend, dass eine vielfältige Landschaftsstruktur unverzichtbar ist, um dem Arten- und Insektensterben gegenzusteuern. Ebenso unbestritten war, dass dafür möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe erhalten bleiben sollen. Wie jedoch dieses Ziel zu erreichen ist, fand ziemlich konträre Anworten – Markt oder staatliche Interventionen. Einerseits berichtete Stefan Leichenauer, dass sein 150-Hektar-Betrieb mit Bullenmast heute schon wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehe. Er habe sich deshalb auch schon mit dem Gedanken getragen, auf Bioproduktion umzusteigen, und entsprechende Erkundigungen eingeholt. Die Berater der Bioverbände hätten ihm zwar zugeraten. Doch die Vermarkter, die ihm seine Ware schließlich abkaufen müssten, hätten abgewinkt: Der Markt für Biogetreide könne vorläufig keine weitere Ware aufnehmen. Andererseits sprach sich Johannes Enssle dafür aus, die deutsche Landwirtschaft vom europäischen und globalen Agrarmarkt abzukoppeln, indem Gesellschaft und Verbraucher über ordnungspolitische Maßnahmen dazu gebracht werden, die teureren Bioprodukte verstärkt zu kaufen und dadurch die vielfältige Landwirtschaft im Land zu stärken und zu erhalten.
Gernot Raiser