Bernhard Bolkart ist seit Dezember 2021 Präsident des BLHV. Anlässlich des BBZ-Jubiläums zieht der Schonacher Schwarzwaldbauer im Gespräch mit der Bauern Zeitung eine Zwischenbilanz seiner bisherigen Amtszeit und blickt auf berufsständische Vorhaben und Herausforderungen.
Herr Bolkart, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre Präsident des BLHV. Hat sich mittlerweile bei Ihnen schon so etwas wie eine Amtsroutine eingestellt?
Also, ich erschrecke tatsächlich immer noch, wenn ich zum Teil als Präsident angesprochen werde, gerade in einem Ortsverein, wo ich früher als Kreisvorsitzender öfter war. Aber eine gewisse Amtsroutine gibt es auch schon. Ich habe ja als 1. Vizepräsident bereits mit meinem Vorgänger Werner Räpple zusammengearbeitet und bringe etliche Jahre Erfahrung als Kreisvorsitzender mit. Es hat bisher eigentlich ganz gut geklappt und funktioniert. Zudem sind die Themen gleich so massiv aufgeschlagen, dass ich gar nicht dazu kam, mir erstmal Zeit zu lassen. Die Notwendigkeiten führten Regie.
Zu den Themen, die aufgeschlagen sind, kommen wir gleich noch. Zunächst vorweg: Wie läuft denn der kollegiale Umgang miteinander – mit den Kolleginnen und Kollegen im Präsidium, im Vorstand, an der Basis? Sind Sie da eher der Chef oder der Teamleiter?
Sowohl als auch.
Wie darf ich das verstehen?
Ich denke, im Präsidium sind wir ein sehr ordentliches Team. So sind wir ja auch angetreten: Wir haben gesagt, wir wollen ein Team sein, das funktioniert. Es hat jeder seine Spezialaufgaben, wir ergänzen uns, wenn es um Termine geht. Der Vorstand mit allen Kreisvorsitzenden ist natürlich eine recht große Gruppe. Da ist es manchmal einfach nötig, dass man als Chef agiert. Wobei es mir schon wichtig ist, dass wir miteinander Dinge entwickeln und voranbringen.
Was ist Ihnen im Zusammenwirken innerhalb des Berufsstandes besonders wichtig, um nicht nur miteinander auszukommen, sondern auch thematisch voranzukommen?
Wir müssen Dinge einerseits breit diskutieren und dann eben doch zeitnah zu einer Entscheidung kommen. Wobei das Problem immer auftreten kann, dass wir schnell eine Positionierung zuwege bringen, uns dann aber das Alltagsgeschäft, die Politik, andere Verbände oder neue Überlegungen einholen. Und dann muss man Dinge, die man schon beschlossen hat, eben doch wieder anpassen. Die Themen sind nicht nur umfänglicher geworden in den letzten Jahren. Sie sind in der Landwirtschaft zudem stets hochkomplex und wir müssen viel mehr Akteure mitnehmen, als es früher der Fall war. Früher hat es ab und zu gereicht, zum Telefonhörer zu greifen und mit Verantwortlichen zu reden. Heute sind das Bilden und Finden von Mehrheiten und Netzwerken ganz entscheidende Größen.
Wie läuft es denn im alltäglichen Umgang mit Akteurinnen und Akteuren von außen, die auf die Landwirtschaft einwirken – von der Politik angefangen über Branchenverbände und NGOs?
Der BLHV hat schon immer ein ganz ordentliches Netzwerk gehabt und gepflegt – und das ist ganz entscheidend. Das Volksbegehren ProBiene und was in der Folge passierte, brachte da zuletzt eine zusätzliche Dynamik rein. Volksantrag, Eckpunktepapier, Biodiversitätsstärkungsgesetz, Veränderungsdialog, Strategiedialog: Das sind Themen, die uns mit den verschiedensten Akteuren viel stärker in Kontakt gebracht haben, als das in der Vergangenheit der Fall war. Mittlerweile sind die Kontakte so, dass man schnell zum Telefonhörer greifen kann, wenn irgendetwas unklar ist, oder wenn man nicht einverstanden ist mit einer Aussage. Früher ist es mehr so gelaufen, dass eine Pressemitteilung rausgehauen wurde, um dann mit einer eigenen Pressemitteilung darauf zu reagieren und umgekehrt. Oder es wurde auf Veranstaltungen richtig dagegengehalten. Das läuft heute vielfach auf anderen Ebenen und bewährt sich in meinen Augen eigentlich. Es ist aber oft ein langwieriger Prozess und das Schwierige ist immer, das dann im Berufsstand entsprechend darstellen zu können.
Wie kriegt man das hin, wenn sich viele Bauern draußen über etwas aufregen, was zum Beispiel ein Naturschutzverband gerade verbreitet hat – das soll ja vorkommen?
Also generell ist es bei Aufregern wichtig, genau hinzuschauen, wer hat was gesagt: Handelt es sich um eine Einzelmeinung oder um Verbandsmeinung? Es ist natürlich wichtig, dass wir von der Verbandsführung im Berufsstand und mit dem Berufsstand fortlaufend kommunizieren. Wir müssen die Leute mitnehmen, so gut es irgend möglich ist. Ich erwarte aber auch von den Mitgliedern und vom Ehrenamt, dass sie uns vertrauen, dass wir da nicht irgendwo etwas mauscheln oder dass wir da irgendwo über sie hin-weg die großen Entscheidungen treffen.
Zu den konkreten Themen: Täuscht eigentlich der Eindruck, dass derzeit besonders viele Themen aus Brüssel, Berlin und vom Land auf die Landwirtschaft bei uns in Südbaden einwirken, die auch mit schwerwiegenden Folgen verbunden sind? Wenn ich da denke an die neue GAP, die Vorschläge der EU-Kommission zur Pflanzenschutzmittelreduktion (SUR) und zur Wiederherstellung der Natur (NRL), Wolf, Heizungsgesetz, neuer Tierschutzgesetz-Entwurf mit baldigem Verbot der Anbindehaltung, Umbau der Tierhaltung generell, Mercosur-Abkommen und noch einiges mehr …
Da sind ja einige Themen drin, über die wir schon einige Jahre diskutieren, manchmal auch Jahrzehnte. Zum Beispiel die Anbindehaltung: Darüber hat man schon diskutiert, als ich vor 17 Jahren Kreisvorsitzender wurde. Damals hat man gesagt, wir müssen auf die über 50-Jährigen Rücksicht nehmen und brauchen eine Übergangszeit von zehn Jahren. Die zehn Jahre sind mittlerweile überschritten. Jetzt sind aber wieder über 50-Jährige nachgerückt und man sollte auf diese Rücksicht nehmen. Das zeigt ein grundsätzliches Problem: Wir bringen Themen nicht so schnell vom Tisch, wie wir sie vielleicht bringen müssten, um uns dann intensiv um die neuen Themen kümmern zu können. So ist SUR ja zum Beispiel ein relativ neues Thema, gut zwei Jahre diskutieren wir aber auch schon darüber. Es ist aber wesentlich jünger als zum Beispiel Mercosur oder die Anbindehaltung. Bei Mercosur bin davon ausgegangen, dass es mehr oder weniger vom Tisch ist. Und jetzt nach der Reise von Robert Habeck und Cem Özdemir nach Südamerika ist das wieder eine hochaktuelle Geschichte, natürlich auch mit den veränderten weltpolitischen Gegebenheiten.
Gibt es bei Ihnen eine Rangliste der Themen nach Bedeutung und Folgen für die Landwirtschaft in Südbaden?
Dadurch, dass wir in Südbaden so heterogen sind, so unterschiedliche Betriebsausrichtungen haben, ist die Betroffenheit bei den Betrieben sehr unterschiedlich. Wenn ich in den Schwarzwald gehe, steht der Wolf ganz oben. Bin ich im Sonderkulturbereich unterwegs, brauche ich über den Wolf nicht großartig zu reden. Dafür sind dort die Themen Mindestlohn und SUR mit der Pflanzenschutzmitteldiskussion ganz wichtig. Wir versuchen schon, die Themen ein Stück weit zu gewichten. Letztendlich müssen wir dann aber feststellen: Die Themen haben alle ihre Berechtigung und müssen entsprechend sauber und intensiv bearbeitet werden.
Kommen wir zu einem anderen Thema, gerade beim „Flächenfraß“ ganz aktuell. Es gibt eine Verbändeallianz für einen Volksantrag gegen Flächenverbrauch, dann war jetzt gerade erst der Veränderungsdialog Weidetierhaltung mit Naturschutz und Landwirtschaft. Ist das eventuell eine Blaupause für weitere verbandsübergreifende Aktivitäten, über Interessensgegensätze hinweg?
Da bin ich mir ziemlich sicher. Die Idee zum Veränderungsdialog ist ja vom NABU-Vorsitzenden Johannes Enssle gekommen. Als er bei uns aufgeschlagen ist mit der Überlegung, waren wir eigentlich schon der Überzeugung, dass wir uns darauf einlassen sollten und eigentlich müssen. Und in den zwei Jahren, in denen wir jetzt intensiver miteinander diskutieren, hat man richtig zueinander gefunden.
Da ist eine Vertrauensbasis aufgebaut worden, da sind Dinge gut entwickelt worden. Darauf können wir aufbauen. Beim Volksantrag gegen den Flächenverbrauch haben wir eine ähnliche Konstellation geschaffen, da sind der BUND und der LNV stark dabei.
Also gehen wir da besseren Zeiten entgegen? Früher ist man eher aufeinander los und heute sucht man den Konsens? Kann man das so sagen?
Also für uns muss klar sein: Wir brauchen neue Verbündete. Die Verbindungen, die in der Vergangenheit funktioniert haben, funktionieren nicht mehr in diesem Maße. In der Politik schaut man genau hin, wo sind die Mehrheiten. Wir sind mittlerweile ein relativ kleiner Berufsstand, wir sind nicht mehr die entscheidende Wählerschicht. Gleichzeitig kann man aber auch feststellen, dass der Naturschutz erkannt hat, dass er uns braucht. Nehmen wir den Veränderungsdialog: Es wird anerkannt, dass Landwirte Sonderleistungen für die Gesellschaft, die Geld kosten, bezahlt bekommen müssen. Rechtliche Leitplanken, also Ordnungsrecht, genügen hier nicht. Darüber musste man eigentlich im letzten halben Jahr nicht mehr diskutieren.
So, wie Sie das hier beschreiben und wie ich Sie selbst erlebe, sind Sie in guter Tradition Ihres Vorgängers Werner Räpple unterwegs: als bäuerlicher Diplomat, der Kompromisslinien und Konsens sucht. Inwiefern halten Sie das grundsätzlich für zielführend und gibt es da auch Grenzen, also rote Linien?
Natürlich gibt es rote Linien und ich tue mich zugegebenermaßen auch schwer mit bestimmten Organisationen, von denen ich weiß, da wird Grundsatzopposition gegen die Landwirtschaft gefahren. Im Normalfall ist es sehr, sehr schwer, mich mit solchen Leuten unvoreingenommen an einen Tisch zu setzen. Eher ist da für mich eine rote Linie.
Aber Kompromissfähigkeit an sich muss ja nicht heißen, dass dann immer ein fauler Kompromiss dabei rauskommt. In einem Kompromiss ist es auch möglich, dass man tatsächlich für beide Seiten Win-Win-Situationen schafft. Sicherlich ist in einem Fall mal der eine mehr bevorteilt. Aber dafür gleicht sich das wahrscheinlich irgendwann wieder aus in einem anderen Bereich. Nehmen wir das Thema Wolf. Vor sieben Jahren haben wir einen ersten Aufschlag gemacht, das war klar, Weidehaltung und Wolf wird nicht gehen, bis hin dann zur Entnahme von Wölfen. Das war unser Positionspapier. Trotzdem haben wir uns nachher darauf eingelassen, Forderungen zu formulieren, wo es vielleicht gehen könnte oder wo man weiterkommen könnte. Wir haben jetzt eine hundertprozentige Förderung im Zaunbau in bestimmten Bereichen. Wir haben aber auch die Definition eines Problemwolfs. Und diese Definition ist in den letzten zwei Jahren immer mehr zu unseren Gunsten angepasst worden. Das hat nur funktioniert, weil wir gesagt haben, okay, wir arbeiten mit an Lösungen, wir diskutieren die Lösungsvorschläge, die da sind, schauen genau hin, ob sie umsetzbar sind, und dann muss man eben schauen, wo wir letztendlich hinkommen. Das lief im Prinzip auch beim Biodiversitätsstärkungsgesetz so.
Ich meine, im Großen und Ganzen haben wir da in jüngster Zeit sehr vieles erreicht oder verhindern können. Es wird jedoch auch nötig sein, immer wieder hinzuschauen, wo man nachjustieren muss. Es wird dann immer zielführender sein, wenn man sich mit den entsprechenden Leuten an den Tisch setzt und sagt, hier haben wir ein Problem, da brauchen wir eine Lösung. Das ist besser, als von vornherein auf Konfrontation zu gehen.
Nun gibt es ja auch die Bäuerinnen und Bauern, die fordern, der BLHV muss mehr anständig auf den Tisch hauen. Haben sie die bisweilen am Telefon, und was sagen Sie diesen Kolleginnen und Kollegen?
Klar, das kommt immer wieder vor, war aber auch in der Vergangenheit schon so. Wobei ich nicht den Eindruck habe, dass das mehr geworden ist. Es gibt eben immer ein paar „Hardliner“. Mit denen diskutiere ich auch gerne und versuche zu überzeugen. Für mich wird es jedoch immer schwierig, wenn das Gegenüber gleich kombiniert: Ihr müsst härter auftreten oder ich kündige. Es muss doch einmal gesehen werden, dass wir eigentlich ein sehr, sehr kleiner Berufsstand sind. Ich würde mir von diesen Kolleginnen und Kollegen insgesamt ein bisschen mehr Solidarität wünschen und Vertrauen zu dem Verband, der eigentlich bewiesen hat, dass er verschiedene Dinge zielführend voranbringen kann, dass er das Möglichste macht. Wer kann das leisten, wenn nicht dieser kleine, aber feine BLHV? Da gehört eben, wie gesagt, Vertrauen dazu und nicht immer gleich die Ansage: Wenn du es nicht so machst, wie ich mir das vorstelle, dann kündige ich.
Ich glaube jedoch insgesamt, ein sehr großer Teil von den Berufskolleginnen und -kollegen hat erkannt, dass wir neue Wege gehen müssen.
Blicken wir abschließend in die Zukunft zu einem Zukunftsprojekt. Ich denke, das Projekt Zukunftsbauer hat eine zentrale Bedeutung auch im BLHV. Von der Bundesorganisation DBV initiiert, ist man hier in Südbaden bundesweit fast am weitesten in der Umsetzung. Warum ist das Projekt Zukunftsbauer nicht eines, wie man es schon kommen und gehen gesehen hat, sondern das mittel- bis langfristig Wirkung entfalten soll?
Wir sind sicher in verschiedenen Bereichen hier in Südbaden früher dran und weiter als in manch anderen Regionen Deutschlands. Zum einen dank engagierter Leute, die sehr motiviert sind und etwas bewegen wollen. Und sicher hat das auch mit unserer kleinteiligen Strukturvielfalt zu tun, die uns von zahlreichen anderen Regionen in Deutschland unterscheidet. Wir mussten uns schon immer ein bisschen anders aufstellen, wir haben schon immer andere Lösungen suchen und uns um andere Märkte kümmern müssen. Das ist vielleicht schon in unseren Genen ein Stück weit angelegt.
Gleichzeitig haben wir auch, vor vier, fünf Jahren dürfte das gewesen sein, die Initiative „Zukunft gestalten“ gestartet. Das haben wir schon mit einer gewissen Konsequenz verfolgt. Daher sind für „Zukunftsbauer“ schon bestimmte Grundlagen gelegt worden, auf die wir jetzt aufbauen können.
Uns ist klar, dass uns bestimmte Botschaften nach außen nicht mehr weiterhelfen. Das beste Beispiel: Wir haben uns immer als die Lebensmittelerzeuger, somit die Ernährer der Bevölkerung gesehen. Dieses Argument zieht heute nicht mehr in der Breite. Wir müssen uns den Menschen als Partner und im besten Fall als Antworten für Fragen präsentieren, die sie bewegen. Nicht umsonst haben wir das Projekt Zukunftsbauer mit dem Untertitel versehen „Raus aus der Opferrolle“. Wir stehen jetzt am Anfang dieser Neuorientierung Richtung Zukunftsbauer und viele Inhalte stehen noch gar nicht fest oder entwickeln sich mit der Zeit.
Das Projekt Zukunftsbauer ist also eines für langen Atem und keines für schnelle Ergebnisse, die konkret messbar sind?
Definitiv. Nichts ist beständiger als der Wandel und der ist wahrscheinlich nirgends so gegeben wie in der Landwirtschaft. Jetzt können wir also nicht sagen: Wir beschäftigen uns mal ein halbes Jahr mit dem Projekt „Zukunftsbauer“. Da müssen wir erst einmal Grundlagen schaffen. In einem Jahr können wir vielleicht sagen, hier ist der Leitfaden und hier sind die Ziele. Aber es wird nicht möglich sein zu sagen: Wir machen jetzt ein Jahr Zukunftsbauer und dann ist alles gut.
Herr Bolkart, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Bernhard Bolkart ist seit Dezember 2021 Präsident des BLHV. Anlässlich des BBZ-Jubiläums zieht der Schonacher Schwarzwaldbauer im Gespräch mit der Bauern Zeitung eine Zwischenbilanz seiner bisherigen Amtszeit und blickt auf berufsständische Vorhaben und Herausforderungen.
Herr Bolkart, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre Präsident des BLHV. Hat sich mittlerweile bei Ihnen schon so etwas wie eine Amtsroutine eingestellt?
Also, ich erschrecke tatsächlich immer noch, wenn ich zum Teil als Präsident angesprochen werde, gerade in einem Ortsverein, wo ich früher als Kreisvorsitzender öfter war. Aber eine gewisse Amtsroutine gibt es auch schon. Ich habe ja als 1. Vizepräsident bereits mit meinem Vorgänger Werner Räpple zusammengearbeitet und bringe etliche Jahre Erfahrung als Kreisvorsitzender mit. Es hat bisher eigentlich ganz gut geklappt und funktioniert. Zudem sind die Themen gleich so massiv aufgeschlagen, dass ich gar nicht dazu kam, mir erstmal Zeit zu lassen. Die Notwendigkeiten führten Regie.
Zu den Themen, die aufgeschlagen sind, kommen wir gleich noch. Zunächst vorweg: Wie läuft denn der kollegiale Umgang miteinander – mit den Kolleginnen und Kollegen im Präsidium, im Vorstand, an der Basis? Sind Sie da eher der Chef oder der Teamleiter?
Sowohl als auch.
Wie darf ich das verstehen?
Ich denke, im Präsidium sind wir ein sehr ordentliches Team. So sind wir ja auch angetreten: Wir haben gesagt, wir wollen ein Team sein, das funktioniert. Es hat jeder seine Spezialaufgaben, wir ergänzen uns, wenn es um Termine geht. Der Vorstand mit allen Kreisvorsitzenden ist natürlich eine recht große Gruppe. Da ist es manchmal einfach nötig, dass man als Chef agiert. Wobei es mir schon wichtig ist, dass wir miteinander Dinge entwickeln und voranbringen.
Was ist Ihnen im Zusammenwirken innerhalb des Berufsstandes besonders wichtig, um nicht nur miteinander auszukommen, sondern auch thematisch voranzukommen?
Wir müssen Dinge einerseits breit diskutieren und dann eben doch zeitnah zu einer Entscheidung kommen. Wobei das Problem immer auftreten kann, dass wir schnell eine Positionierung zuwege bringen, uns dann aber das Alltagsgeschäft, die Politik, andere Verbände oder neue Überlegungen einholen. Und dann muss man Dinge, die man schon beschlossen hat, eben doch wieder anpassen. Die Themen sind nicht nur umfänglicher geworden in den letzten Jahren. Sie sind in der Landwirtschaft zudem stets hochkomplex und wir müssen viel mehr Akteure mitnehmen, als es früher der Fall war. Früher hat es ab und zu gereicht, zum Telefonhörer zu greifen und mit Verantwortlichen zu reden. Heute sind das Bilden und Finden von Mehrheiten und Netzwerken ganz entscheidende Größen.
Wie läuft es denn im alltäglichen Umgang mit Akteurinnen und Akteuren von außen, die auf die Landwirtschaft einwirken – von der Politik angefangen über Branchenverbände und NGOs?
Der BLHV hat schon immer ein ganz ordentliches Netzwerk gehabt und gepflegt – und das ist ganz entscheidend. Das Volksbegehren ProBiene und was in der Folge passierte, brachte da zuletzt eine zusätzliche Dynamik rein. Volksantrag, Eckpunktepapier, Biodiversitätsstärkungsgesetz, Veränderungsdialog, Strategiedialog: Das sind Themen, die uns mit den verschiedensten Akteuren viel stärker in Kontakt gebracht haben, als das in der Vergangenheit der Fall war. Mittlerweile sind die Kontakte so, dass man schnell zum Telefonhörer greifen kann, wenn irgendetwas unklar ist, oder wenn man nicht einverstanden ist mit einer Aussage. Früher ist es mehr so gelaufen, dass eine Pressemitteilung rausgehauen wurde, um dann mit einer eigenen Pressemitteilung darauf zu reagieren und umgekehrt. Oder es wurde auf Veranstaltungen richtig dagegengehalten. Das läuft heute vielfach auf anderen Ebenen und bewährt sich in meinen Augen eigentlich. Es ist aber oft ein langwieriger Prozess und das Schwierige ist immer, das dann im Berufsstand entsprechend darstellen zu können.
Wie kriegt man das hin, wenn sich viele Bauern draußen über etwas aufregen, was zum Beispiel ein Naturschutzverband gerade verbreitet hat – das soll ja vorkommen?
Also generell ist es bei Aufregern wichtig, genau hinzuschauen, wer hat was gesagt: Handelt es sich um eine Einzelmeinung oder um Verbandsmeinung? Es ist natürlich wichtig, dass wir von der Verbandsführung im Berufsstand und mit dem Berufsstand fortlaufend kommunizieren. Wir müssen die Leute mitnehmen, so gut es irgend möglich ist. Ich erwarte aber auch von den Mitgliedern und vom Ehrenamt, dass sie uns vertrauen, dass wir da nicht irgendwo etwas mauscheln oder dass wir da irgendwo über sie hin-weg die großen Entscheidungen treffen.
Zu den konkreten Themen: Täuscht eigentlich der Eindruck, dass derzeit besonders viele Themen aus Brüssel, Berlin und vom Land auf die Landwirtschaft bei uns in Südbaden einwirken, die auch mit schwerwiegenden Folgen verbunden sind? Wenn ich da denke an die neue GAP, die Vorschläge der EU-Kommission zur Pflanzenschutzmittelreduktion (SUR) und zur Wiederherstellung der Natur (NRL), Wolf, Heizungsgesetz, neuer Tierschutzgesetz-Entwurf mit baldigem Verbot der Anbindehaltung, Umbau der Tierhaltung generell, Mercosur-Abkommen und noch einiges mehr …
Da sind ja einige Themen drin, über die wir schon einige Jahre diskutieren, manchmal auch Jahrzehnte. Zum Beispiel die Anbindehaltung: Darüber hat man schon diskutiert, als ich vor 17 Jahren Kreisvorsitzender wurde. Damals hat man gesagt, wir müssen auf die über 50-Jährigen Rücksicht nehmen und brauchen eine Übergangszeit von zehn Jahren. Die zehn Jahre sind mittlerweile überschritten. Jetzt sind aber wieder über 50-Jährige nachgerückt und man sollte auf diese Rücksicht nehmen. Das zeigt ein grundsätzliches Problem: Wir bringen Themen nicht so schnell vom Tisch, wie wir sie vielleicht bringen müssten, um uns dann intensiv um die neuen Themen kümmern zu können. So ist SUR ja zum Beispiel ein relativ neues Thema, gut zwei Jahre diskutieren wir aber auch schon darüber. Es ist aber wesentlich jünger als zum Beispiel Mercosur oder die Anbindehaltung. Bei Mercosur bin davon ausgegangen, dass es mehr oder weniger vom Tisch ist. Und jetzt nach der Reise von Robert Habeck und Cem Özdemir nach Südamerika ist das wieder eine hochaktuelle Geschichte, natürlich auch mit den veränderten weltpolitischen Gegebenheiten.
Gibt es bei Ihnen eine Rangliste der Themen nach Bedeutung und Folgen für die Landwirtschaft in Südbaden?
Dadurch, dass wir in Südbaden so heterogen sind, so unterschiedliche Betriebsausrichtungen haben, ist die Betroffenheit bei den Betrieben sehr unterschiedlich. Wenn ich in den Schwarzwald gehe, steht der Wolf ganz oben. Bin ich im Sonderkulturbereich unterwegs, brauche ich über den Wolf nicht großartig zu reden. Dafür sind dort die Themen Mindestlohn und SUR mit der Pflanzenschutzmitteldiskussion ganz wichtig. Wir versuchen schon, die Themen ein Stück weit zu gewichten. Letztendlich müssen wir dann aber feststellen: Die Themen haben alle ihre Berechtigung und müssen entsprechend sauber und intensiv bearbeitet werden.
Kommen wir zu einem anderen Thema, gerade beim „Flächenfraß“ ganz aktuell. Es gibt eine Verbändeallianz für einen Volksantrag gegen Flächenverbrauch, dann war jetzt gerade erst der Veränderungsdialog Weidetierhaltung mit Naturschutz und Landwirtschaft. Ist das eventuell eine Blaupause für weitere verbandsübergreifende Aktivitäten, über Interessensgegensätze hinweg?
Da bin ich mir ziemlich sicher. Die Idee zum Veränderungsdialog ist ja vom NABU-Vorsitzenden Johannes Enssle gekommen. Als er bei uns aufgeschlagen ist mit der Überlegung, waren wir eigentlich schon der Überzeugung, dass wir uns darauf einlassen sollten und eigentlich müssen. Und in den zwei Jahren, in denen wir jetzt intensiver miteinander diskutieren, hat man richtig zueinander gefunden.
Da ist eine Vertrauensbasis aufgebaut worden, da sind Dinge gut entwickelt worden. Darauf können wir aufbauen. Beim Volksantrag gegen den Flächenverbrauch haben wir eine ähnliche Konstellation geschaffen, da sind der BUND und der LNV stark dabei.
Also gehen wir da besseren Zeiten entgegen? Früher ist man eher aufeinander los und heute sucht man den Konsens? Kann man das so sagen?
Also für uns muss klar sein: Wir brauchen neue Verbündete. Die Verbindungen, die in der Vergangenheit funktioniert haben, funktionieren nicht mehr in diesem Maße. In der Politik schaut man genau hin, wo sind die Mehrheiten. Wir sind mittlerweile ein relativ kleiner Berufsstand, wir sind nicht mehr die entscheidende Wählerschicht. Gleichzeitig kann man aber auch feststellen, dass der Naturschutz erkannt hat, dass er uns braucht. Nehmen wir den Veränderungsdialog: Es wird anerkannt, dass Landwirte Sonderleistungen für die Gesellschaft, die Geld kosten, bezahlt bekommen müssen. Rechtliche Leitplanken, also Ordnungsrecht, genügen hier nicht. Darüber musste man eigentlich im letzten halben Jahr nicht mehr diskutieren.
So, wie Sie das hier beschreiben und wie ich Sie selbst erlebe, sind Sie in guter Tradition Ihres Vorgängers Werner Räpple unterwegs: als bäuerlicher Diplomat, der Kompromisslinien und Konsens sucht. Inwiefern halten Sie das grundsätzlich für zielführend und gibt es da auch Grenzen, also rote Linien?
Natürlich gibt es rote Linien und ich tue mich zugegebenermaßen auch schwer mit bestimmten Organisationen, von denen ich weiß, da wird Grundsatzopposition gegen die Landwirtschaft gefahren. Im Normalfall ist es sehr, sehr schwer, mich mit solchen Leuten unvoreingenommen an einen Tisch zu setzen. Eher ist da für mich eine rote Linie.
Aber Kompromissfähigkeit an sich muss ja nicht heißen, dass dann immer ein fauler Kompromiss dabei rauskommt. In einem Kompromiss ist es auch möglich, dass man tatsächlich für beide Seiten Win-Win-Situationen schafft. Sicherlich ist in einem Fall mal der eine mehr bevorteilt. Aber dafür gleicht sich das wahrscheinlich irgendwann wieder aus in einem anderen Bereich. Nehmen wir das Thema Wolf. Vor sieben Jahren haben wir einen ersten Aufschlag gemacht, das war klar, Weidehaltung und Wolf wird nicht gehen, bis hin dann zur Entnahme von Wölfen. Das war unser Positionspapier. Trotzdem haben wir uns nachher darauf eingelassen, Forderungen zu formulieren, wo es vielleicht gehen könnte oder wo man weiterkommen könnte. Wir haben jetzt eine hundertprozentige Förderung im Zaunbau in bestimmten Bereichen. Wir haben aber auch die Definition eines Problemwolfs. Und diese Definition ist in den letzten zwei Jahren immer mehr zu unseren Gunsten angepasst worden. Das hat nur funktioniert, weil wir gesagt haben, okay, wir arbeiten mit an Lösungen, wir diskutieren die Lösungsvorschläge, die da sind, schauen genau hin, ob sie umsetzbar sind, und dann muss man eben schauen, wo wir letztendlich hinkommen. Das lief im Prinzip auch beim Biodiversitätsstärkungsgesetz so.
Ich meine, im Großen und Ganzen haben wir da in jüngster Zeit sehr vieles erreicht oder verhindern können. Es wird jedoch auch nötig sein, immer wieder hinzuschauen, wo man nachjustieren muss. Es wird dann immer zielführender sein, wenn man sich mit den entsprechenden Leuten an den Tisch setzt und sagt, hier haben wir ein Problem, da brauchen wir eine Lösung. Das ist besser, als von vornherein auf Konfrontation zu gehen.
Nun gibt es ja auch die Bäuerinnen und Bauern, die fordern, der BLHV muss mehr anständig auf den Tisch hauen. Haben sie die bisweilen am Telefon, und was sagen Sie diesen Kolleginnen und Kollegen?
Klar, das kommt immer wieder vor, war aber auch in der Vergangenheit schon so. Wobei ich nicht den Eindruck habe, dass das mehr geworden ist. Es gibt eben immer ein paar „Hardliner“. Mit denen diskutiere ich auch gerne und versuche zu überzeugen. Für mich wird es jedoch immer schwierig, wenn das Gegenüber gleich kombiniert: Ihr müsst härter auftreten oder ich kündige. Es muss doch einmal gesehen werden, dass wir eigentlich ein sehr, sehr kleiner Berufsstand sind. Ich würde mir von diesen Kolleginnen und Kollegen insgesamt ein bisschen mehr Solidarität wünschen und Vertrauen zu dem Verband, der eigentlich bewiesen hat, dass er verschiedene Dinge zielführend voranbringen kann, dass er das Möglichste macht. Wer kann das leisten, wenn nicht dieser kleine, aber feine BLHV? Da gehört eben, wie gesagt, Vertrauen dazu und nicht immer gleich die Ansage: Wenn du es nicht so machst, wie ich mir das vorstelle, dann kündige ich.
Ich glaube jedoch insgesamt, ein sehr großer Teil von den Berufskolleginnen und -kollegen hat erkannt, dass wir neue Wege gehen müssen.
Blicken wir abschließend in die Zukunft zu einem Zukunftsprojekt. Ich denke, das Projekt Zukunftsbauer hat eine zentrale Bedeutung auch im BLHV. Von der Bundesorganisation DBV initiiert, ist man hier in Südbaden bundesweit fast am weitesten in der Umsetzung. Warum ist das Projekt Zukunftsbauer nicht eines, wie man es schon kommen und gehen gesehen hat, sondern das mittel- bis langfristig Wirkung entfalten soll?
Wir sind sicher in verschiedenen Bereichen hier in Südbaden früher dran und weiter als in manch anderen Regionen Deutschlands. Zum einen dank engagierter Leute, die sehr motiviert sind und etwas bewegen wollen. Und sicher hat das auch mit unserer kleinteiligen Strukturvielfalt zu tun, die uns von zahlreichen anderen Regionen in Deutschland unterscheidet. Wir mussten uns schon immer ein bisschen anders aufstellen, wir haben schon immer andere Lösungen suchen und uns um andere Märkte kümmern müssen. Das ist vielleicht schon in unseren Genen ein Stück weit angelegt.
Gleichzeitig haben wir auch, vor vier, fünf Jahren dürfte das gewesen sein, die Initiative „Zukunft gestalten“ gestartet. Das haben wir schon mit einer gewissen Konsequenz verfolgt. Daher sind für „Zukunftsbauer“ schon bestimmte Grundlagen gelegt worden, auf die wir jetzt aufbauen können.
Uns ist klar, dass uns bestimmte Botschaften nach außen nicht mehr weiterhelfen. Das beste Beispiel: Wir haben uns immer als die Lebensmittelerzeuger, somit die Ernährer der Bevölkerung gesehen. Dieses Argument zieht heute nicht mehr in der Breite. Wir müssen uns den Menschen als Partner und im besten Fall als Antworten für Fragen präsentieren, die sie bewegen. Nicht umsonst haben wir das Projekt Zukunftsbauer mit dem Untertitel versehen „Raus aus der Opferrolle“. Wir stehen jetzt am Anfang dieser Neuorientierung Richtung Zukunftsbauer und viele Inhalte stehen noch gar nicht fest oder entwickeln sich mit der Zeit.
Das Projekt Zukunftsbauer ist also eines für langen Atem und keines für schnelle Ergebnisse, die konkret messbar sind?
Definitiv. Nichts ist beständiger als der Wandel und der ist wahrscheinlich nirgends so gegeben wie in der Landwirtschaft. Jetzt können wir also nicht sagen: Wir beschäftigen uns mal ein halbes Jahr mit dem Projekt „Zukunftsbauer“. Da müssen wir erst einmal Grundlagen schaffen. In einem Jahr können wir vielleicht sagen, hier ist der Leitfaden und hier sind die Ziele. Aber es wird nicht möglich sein zu sagen: Wir machen jetzt ein Jahr Zukunftsbauer und dann ist alles gut.
Herr Bolkart, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Mit Bernhard Bolkart
sprach Walter Eberenz