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Unzufriedenheit, aber kein Krach in Münster

22 Jahre nach dem letzten Deutschen Bauerntag in Münster und scharfen Auseinandersetzungen mit der damaligen Agrarministerin Renate Künast ist die Neuauflage vergangene Woche in Westfalen deutlich harmonischer verlaufen.

Zwar ist Bauernpräsident Joachim Rukwied unzufrieden mit der bisherigen Bilanz von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sowie der Ampelkoalition und mahnte weitere Entscheidungen insbesondere im Bereich der Tierhaltung an. Gleichzeitig bekannte sich Rukwied erneut zur Transformation der Landwirtschaft und kündigte an, weiterhin das Gespräch mit der Politik zu suchen, um akzeptable Lösungen für die Betriebe zu finden.

Özdemir zeigte sich in seiner Rede offen für Kritik und Anregungen aus der Praxis. Es gehe darum, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Richtschnur seiner Politik seien die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) sowie der Borchert-Kommission. Der Grünen-Politiker gab bekannt, dass die Kürzungen im Agraretat geringer ausfallen werden als bislang geplant. Ihm sei es in den Verhandlungen mit dem Finanzminister gelungen, die vorgesehenen Einsparungen in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) von 300 Millionen (Mio.) Euro auf die Hälfte zu drücken. Özdemir bekräftigte zugleich, dass der Bundeszuschuss zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung (LUV) von 100 Mio. Euro nicht angerührt werde. Eine Kürzung der Agrardieselbeihilfe ist entgegen anderslautenden Berichten nach wie vor nicht im Gespräch. Insgesamt soll das Agrarressort knapp 250Mio. Euro einsparen.

Ernährungssicherheit höher bewerten

Rukwied forderte in seiner Grundsatzrede bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) eine Neuausrichtung in der Agrarpolitik, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Der DBV-Präsident rief dazu auf, den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen und der Ernährungssicherheit wieder eine grundlegende Bedeutung in der Agrarpolitik einzuräumen. Notwendig seien Pragmatismus und Verlässlichkeit anstatt staatlicher Bevormundung über die Köpfe der Betroffenen hinweg. „Wir können mehr Umwelt-, Klima- und Naturschutz sowie mehr Tierwohl“, betonte Rukwied. Eine noch nachhaltigere Landwirtschaft könne es jedoch nur dann geben, „wenn damit Zukunftsperspektiven für die Betriebe verbunden sind“. Die Landwirte bleiben dem Verbandspräsidenten zufolge „Lösungsanbieter für die großen Fragen der Zeit“. Dies müsse sich allerdings für die Betriebe rechnen, mahnte Rukwied. Besorgt äußerte sich der DBV-Präsident zur Zukunft des Tierhaltungsstandorts Deutschland. Die bislang auf den Weg gebrachten Gesetze könnten lediglich ein erster Schritt sein. Einmal mehr zeigte sich Rukwied offen gegenüber modernen Technologien und Innovationen in der Landwirtschaft. Dazu zähle der Einsatz neuer Züchtungstechniken. Der DBV-Präsident bekräftigte zugleich seine Absage an eine Patentierung von Pflanzen, die mit den neuen Techniken erzeugt werden. Sollte dies dennoch der Fall sein, werde der Bauernverband seine Unterstützung für die neuen Züchtungstechniken einstellen. Rukwied sprach sich zudem dafür aus, den Schutz der ökologischen Erzeugung vor gentechnischen „Verunreinigungen“ sicherzustellen.

Zurückhaltend äußerte sich Özdemir zu den Vorstellungen der EU-Kommission für eine Neufassung des Gentechnikrechts. Zum einen lehne er entschieden ab, dass mit den Neuregelungen Patente auf Pflanzen „durch die Hintertür“ eingeführt würden. Zum anderen müsse die gentechnikfreie Produktion geschützt werden. Die Koexistenz sei für ihn nicht verhandelbar. Eine Absage erteilte Özdemir Forderungen, die verpflichtende Stilllegung von Ackerflächen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erneut auszusetzen. Grundsätzlich festhalten will der Minister an den Brüsseler Entwürfen zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) sowie zum Naturwiederherstellungsgesetz (NRL). Gleichzeitig sprach sich der Grünen-Politiker jedoch dafür aus, Korrekturen an den Vorlagen vorzunehmen. Blaupause für das NRL seien dabei kooperative Regelungen, wie sie mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz von Baden-Württemberg gefunden worden seien.

Özdemir verteidigte erneut das vom Bundestag beschlossene staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sowie die baurechtlichen Erleichterungen als erste Schritte, dem schnell weitere folgen würden.  „Der Umbau der Tierhaltung geht weiter“, kündigte der Minister an. 

Als besondere politische Note brachte der Bauerntag ein Stelldichein des Bundeskanzlers mit seinem möglichen künftigen Herausforderer.

Bundeskanzler mit Videobotschaft

Sowohl Kanzler Olaf Scholz als auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst hoben in ihren Grußworten die Bedeutung der Landwirtschaft insbesondere für die Lebensmittelversorgung, aber auch den Umwelt- und Naturschutz in der Fläche hervor. Während der Münsterländer Wüst anwesend war, richtete Scholz eine Videobotschaft an die Delegierten. Rukwied kündigte an, dass der Bundeskanzler bei der Veranstaltung zum 75-jährigen Bestehen des Deutschen Bauernverbandes im Herbst dieses Jahres die Festrede halten werde.

Die hiesige Landwirtschaft sei zentral für die Ernährungssicherheit, betonte Scholz. Er versicherte, die Bundesregierung werde die Branche beim gegenwärtigen Wandel unterstützen. Ziel müsse sein, dass die Landwirtinnen und Landwirte auch in Zukunft „von ihrer Arbeit leben können“. Wesentliche Treiber des Wandels sieht Scholz im Klimawandel sowie in gesellschaftlichen Erwartungen.

Wüst bekannte sich zu einer starken heimischen Landwirtschaft. Die Politik müsse dafür die Voraussetzungen schaffen, indem sie den Landwirtinnen und Landwirtinnen verlässliche Rahmenbedingungen biete, betonte der CDU-Politiker. Der geforderte Umbau der Tierhaltung ist dem Ministerpräsidenten zufolge längst im Gange. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass er sich für die Tierhalter rechne. Wüst bot der Landwirtschaft „eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe“ mit der Politik an. 

Es geht um die Weichenstellung: Münsteraner Erklärung

Deutschlands Landwirtinnen und Landwirte wollen sich den wichtigen Herausforderungen des Klimaschutzes und dem Erhalt der Biodiversität in der Kulturlandschaft stellen. Das haben die Delegierten beim Deutschen Bauerntag in Münster mit großer Mehrheit in einer Erklärung bekräftigt. Darin machen sie zugleich deutlich, dass die anstehenden Aufgaben ohne eine vielfältige, wettbewerbs- und zukunftsfähige sowie gleichzeitig wirtschaftlich nachhaltige heimische Landwirtschaft nicht zu bewältigen seien. „Umso wichtiger ist es, auch in der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik endlich die richtigen Weichen zu stellen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dieses Potenzial genutzt werden kann“, heißt es in der Erklärung.

Unter anderem fordern die Delegierten die Politik auf, die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen als Zukunftsaufgabe konsequent anzugehen, die Potenziale nachhaltiger Bioenergie und Biomasse zu erschließen sowie Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl den Bauern als auch der Natur Nutzen bringen. Außerdem sollte der Tierhaltung in Deutschland eine Perspektive gegeben werden. Anstelle nationaler Alleingänge im Ordnungsrecht müssten die Lücken in der Tierhaltungskennzeichnung geschlossen, ein klarer Tierwohlvorrang im Bau- und Immissionsschutzrecht festgeschrieben und insbesondere ein langfristig tragfähiges Förder- und Finanzierungskonzept realisiert werden.

Auf dem Bauerntag legte auch das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes eine Erklärung vor. Darin wird eine kritische Prüfung der Novelle des Düngegesetzes gefordert. Begründet wird dies damit, dass die weitreichenden Änderungen des nationalen Düngerechts im Zusammenhang mit dem Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Nitratrichtlinie der Landwirtschaft große Anstrengungen abverlangten. Außerdem führten sie zu erheblichen Kosten bei der Bewirtschaftung und gefährdeten in Teilbereichen das Prinzip der bedarfsgerechten Düngung. Die Landwirte brauchten  längerfristige Planungssicherheit für die Düngung und keine Verschärfungen im Jahrestakt.

Konzept „Zukunftsbauer“ weiterentwickeln

Zufrieden mit der bisherigen Resonanz auf das Konzept „Zukunftsbauer“ ist die Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Susanne Schulze Bockeloh. Man habe es innerhalb eines Jahres zumindest in Teilen geschafft, eine Aufbruchstimmung insbesondere unter jungen Landwirtinnen und Landwirten zu erzeugen, sagte Schulze Bockeloh bei der Mitgliederversammlung auf dem Deutschen Bauerntag in Münster. Die DBV-Vizepräsidentin räumte ein, dass die Resonanz in den Landesbauernverbänden „unterschiedlich in der Breite und in der Tiefe“ sei. Seit dem Bauerntag 2022 in Lübeck sei es jedoch insgesamt gelungen, die Idee des „Zukunftsbauern“ in den Köpfen zu verankern und vielfältige Aktionen auf regionaler Ebene auf den Weg zu bringen.

Jochen Hauser (links) vom Vorstandsteam des BLHV-Kreisverbandes Villingen diskutierte in Münster mit Hans-Heinrich Berghorn vom DBV zum Thema Zukunftsbauer.

Nun komme es darauf an, die Ansätze weiterzuentwickeln und noch stärker in die Breite zu kommen. Dabei gelte es auch, der Kritik von älteren Berufskolleginnen und -kollegen zu begegnen, mit der Diskussion über notwendige Veränderungen würden deren Leistungen nicht wertgeschätzt. Solche Befürchtungen müssten ernst genommen werden, aber sie seien gleichwohl unbegründet, sagte Schulze Bockeloh. Die Vorsitzende des Unternehmerinnen-Fachausschusses im DBV kündigte an, die Idee des Zukunftsbauern über den Berufsstand hinaus zu tragen: „Wir müssen Gesellschaft und Politik mit ins Boot holen.“ Dies sei eine wesentliche Voraussetzung, um das Ziel von höherer Wertschätzung für die Landwirtschaft zu erreichen. Schulze Bockeloh wies darauf hin, dass dieser Schritt nicht ohne weitere finanzielle Ressourcen aus dem Berufsstand gegangen werden könne. Das Konzept „Zukunftsbauer“ ziele darauf ab, ein neues Selbstverständnis in der Landwirtschaft zu entwickeln. „Handeln statt Granteln“ sei die Devise, hieß es auf dem Bauerntag in Münster.