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Berg- und Talbetriebe rücken zusammen

Projektstart: KoRiNa – hinter dieser Abkürzung steckt ein komplexes Projekt mit vielen Beteiligten. Das Ziel: Vorteile aus dem Schwarzwald und den angrenzenden Tälern kombinieren, um Rindfleisch aus Gras zu erzeugen. Vergangene Woche trafen sich die Beteiligten zu einer Auftaktveranstaltung.

„Kooperation von Berg- und Ackerbauern für Qualitätsrindfleisch, Kreislaufwirtschaft und Naturschutz“ ist der lange Name, der hinter der Kurzversion KoRiNa steckt. Inhaltlich will das Projekt einen Bogen schlagen von der Kälberaufzucht und Rindermast über die nachhaltige Bewirtschaftung von artenreichem Grünland bis hin zur erfolgreichen Vermarktung von Rindfleisch.

Zu Gast waren unter anderem (von links) BLHV-Präsident Bernhard Bolkart, Milchviehbauer und Aufsichtsratsmitglied der Schwarzwaldmilch Clemens Hug sowie Landwirtschaftsminister Peter Hauk.

Mehrwert für alle Beteiligten

Zur Auftaktveranstaltung trafen sich kürzlich im Kurhaus in Bernau Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichsten Bereichen: Bäuerinnen und Bauern, Vertreter von Edeka, den Edeka-Schmidts-Märkten, der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind (EZG), der Schwarzwaldmilch, des Regierungspräsidiums und des Naturschutzes. Auch das Landwirtschaftliche Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), Naturland, der Naturpark und das Biosphärengebiet Südschwarzwald sowie die Bio-Musterregion Freiburg waren vertreten. Mit dabei waren zudem verschiedenste Bürgermeister von Schwarzwaldgemeinden und BLHV-Präsident Bernhard Bolkart. Zu Gast waren Landwirtschaftsminister Peter Hauk sowie die Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Braun.

Kerngedanke des Projektes ist es, die Standortvorteile der Naturräume im Schwarzwald und den angrenzenden Tälern zu verknüpfen, um so das Grünland effizient und naturschutzverträglich zu nutzen und gleichzeitig einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Konkret heißt das: Die Pilotbetriebe im Berggebiet werden ihre Tierzahlen im Sommer erhöhen, um möglichst viel Gras direkt von der Weide zu nutzen. Im Winter werden die Rinder dann im Tal aufgestallt, wo sie Grünland- und Kleegrasaufwüchse verwerten und dort die Nährstoffkreisläufe schließen.

Ausgangspunkt für die Weidemast von Rindern sollen Kälber von Milchviehbetrieben sein, die im Alter von drei bis vier Monaten an die Mäster gehen. Damit sich die Tiere für die Mast eignen, sollen die Milchviehbetriebe Teile ihrer Herde mit Fleischbullen belegen. Dieses System wird in Ansätzen bereits von einzelnen Betrieben praktiziert. Bisher konnten nach diesem Muster 250 bis 300 Rinder pro Jahr ausgemästet und über die EZG Schwarzwald Bio-Weiderind vermarktet werden. Mit dem KoRiNa-Projekt soll dieses Konzept nun geprüft und weiterentwickelt werden. So sollen die Grundlagen geschaffen werden, um eine wesentlich höhere Zahl an Kälbern aus der Milchviehhaltung in der Region auszumästen und zu vermarkten. EZG-Vorsitzender Markus Kaiser wies auf das gemeinsam mit Edeka vereinbarte Ziel hin, bis zum Jahr 2025 1000 zusätzliche Bio-Schlachtrinder zu liefern.

Mit 39 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche hat Baden-Württemberg einen Grünlandanteil, der über dem bundesweiten Durchschnitt von knapp 29 % liegt. „Gemessen am Anteil artenreicher – und damit ökologisch besonders wertvoller Grünlandflächen – ist Baden-Württemberg sogar Spitzenreiter in Deutschland“, erklärt Berater Daniel Weiß und findet, „diese Grünlandflächen, die für den Naturschutz äußerst wichtig sind, können nur durch eine standortangepasste Landwirtschaft erhalten werden.“

Aktive Beteiligung erwünscht

Im KoRiNa-Projekt soll auf acht ausgewählten Pilotbetrieben der Zusammenhang von Weidesystem, Naturschutz und Rindermast untersucht werden. Dazu gehört eine detaillierte Aufnahme der Biodiversität im Grünland genauso wie die Dokumentation von produktionstechnischen Kennzahlen wie tägliche Zunahmen, Schlachtkörperqualitäten und die Zuwachsleistung der Weideflächen.

Insgesamt haben sich  20 Betriebe entschieden, am Projekt teilzunehmen – mit vertraglicher Bindung. Laut Projektkoordinatorin Dr. Juliane Dentler wird der Mehraufwand, etwa für die Dokumentation oder Wiegung der Tiere, direkt über das Projekt vergütet, ebenso der Tiertransport zwischen den Betrieben. Roland Schöttle vom Naturpark Südschwarzwald, der das Auftakttreffen moderierte, wies auf die Bedeutung des Projektes hin und forderte die Landwirte auf, sich aktiv zu beteiligen und eigene Ideen einzubringen.

Ein sogenanntes Kompetenzteam unterstützt das Projekt von wissenschaftlicher Seite. Es besteht aus: Koordinatorin Dr. Juliane Dentler, dem freien Berater Dr. Daniel Weiß, zuständig für Potenzialanalyse, Dr. Lukas Kiefer von der Universität Hohenheim, zuständig für Wirtschaftlichkeitsanalysen, Jürgen Vögtlin vom Beratungsbüro „proECO Umweltplanung“, zuständig für Naturschutzfragen, Naturland-Beraterin Anne Wegerhof, zuständig für produktionstechnische Fragen und die Verteilung der Tiere, Dr. Jonas Weber vom LAZBW, zuständig für die Grünlandberatung.

Das Projekt kommt auch im Landwirtschaftsministerium in Stuttgart gut an: „Von den etwa 14000 Kälbern, die Baden-Württemberg jedes Jahr verlassen, sollen mehr im Land bleiben,“ so Minister Peter Hauk. Damit sollen auch lange Kälbertransporte ins Ausland verringert werden. Zudem sei es eine Chance, mehr Biorindfleisch am Markt abzusetzen. Ziel für das zuerst auf zwei Jahre angelegte Projekt sei es, die komplexe Wertschöpfungskette zur erproben und ein tragfähiges Netzwerk zwischen den Landwirten und den Vermarktern zu knüpfen. Aus diesem Grund wird das Projekt mit rund 500000 Euro über die Europäische Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-Agri) unterstützt.

Fleisch und Milch zusammen denken

In den Diskussionen kamen zum einen Fragen zur Produktionstechnik und den Abläufen in der Zusammenarbeit auf. Aber auch grundsätzliche Fragen waren Thema, wie etwa: Kann es gelingen, Verbraucherinnen und Verbraucher mit diesen Themen zu erreichen, sodass sie sich für die Vorteile einer grünlandbasierten Fleischerzeugung interessieren? Ist es hierfür sogar notwendig, die Kommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit in den Bereichen Fleisch und Milch enger aufeinander abzustimmen?

Michael Krumm, Abteilungsleiter im Fachbereich Landwirtschaft am Regierungspräsidium Freiburg, betonte, dass die Vermittlung der komplexen Zusammenhänge eine große Herausforderung darstellt. Andererseits berichteten Tasmin Taskale vom BLHV wie auch EZG-Vorsitzender Markus Kaiser von einer großen Offenheit gegenüber solch komplexen Zusammenhängen – gerade von jungen Menschen. Diese gelte es zu nutzen. Letztlich reifte in den intensiven Diskussionen die Erkenntnis, dass nur mit einer engen Zusammenarbeit die Potenziale dieser neuen Ansätze gehoben werden können.

Matthias Werner/red