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Die neue Öko-Verordnung im Betriebsalltag

INTERVIEW Am 1. Januar ist die neue EU-Öko-Verordnung 2018/848 in Kraft getreten. Die meisten Regelungen bleiben bestehen, es gibt aber auch einige wichtige Neuerungen zu beachten. Die BBZ sprach darüber mit dem Fachmann beim Deutschen Bauernverband (DBV) für Ökolandbau.

Wie sieht der neue Ansatz zur Risikovorsorge und zum Umgang mit Rückständen aus?

Alle Öko-Betriebe müssen neuerdings ein schriftliches Risikovorsorgesystem einrichten. Dazu analysieren sie ihren Betrieb auf mögliche Eintragsquellen von nicht erlaubten Pflanzenschutzmitteln und Reinigungsmitteln oder wo eine Vermischung mit konventionellen Resten möglich ist oder Verwechslung vorkommen kann. Das betrifft vor allem alle Maschinen, Transportfahrzeuge und Lagerstätten oder Sortiermaschinen, die mit konventionellen Landwirten gemeinsam genutzt werden, also beispielsweise Gebläse, Elevatoren, Schnecken, Pumpen, Leitungen. Die Betriebe müssen also klären, wo die Maschinen im Maschinenring oder beim Lohnunternehmer im Einsatz sind. 

Risikopunkte entstehen also vor allem dort, wo sich Öko- und konventionelle Stoffströme überschneiden?

Ja – dabei zu beachten sind auch zugekaufte Futter- und Düngemittel, Verarbeitungshilfsstoffe und Zusatzstoffe. Jeder Betrieb muss überlegen, wie er mit welchen Vorsorgemaßnahmen  unerwünschten Einträgen vorbeugen kann. Im Falle von Pflanzenschutzgeräten könnte dies die Reinigung mit einem für den Ökolandbau zugelassenen Spezialreiniger sein, beim Mähdrescher das Ausblasen bei vollem Wind und offenen Klappen. Die Wirksamkeit sollte geprüft und dokumentiert werden.

Dr. Wolfram Dienel, Referatsleiter Ökolandbau, Deutscher Bauernverband (Bild: DBV)

Wie weit reicht die Verantwortung als Öko-Landwirt und was passiert bei Rückstandsfunden?

Der Ökobetrieb ist nicht für das Verhalten der Nachbarn verantwortlich, sondern nur für die innerbetrieblichen Vorgänge. Das wahrscheinlich als lästig empfundene Qualitätskontrollsystem, das jetzt eingerichtet werden muss, bietet den Vorteil, selber nachprüfbar und transparent über das Vorgehen bei Bagatellbefunden von Rückständen entscheiden zu können. Nur begründete Verdachtsfälle auf Verstoß gegen die Öko-Prozessregeln zwingen  zur Warensperrung und zur amtlichen Untersuchung.

Was ändert sich bei der Verpflichtung zum Weidegang?

Es wird noch klarer gefasst, dass Weidegang im Ökolandbau für  alle Raufutterfresser im Sommerhalbjahr verpflichtend ist. Nur Bullen und Ochsen über ein Jahr dürfen ersatzweise im Auslauf am Stall stehen. Alle anderen müssen nach der Milchtränkeperiode auf die Weide. Strukturelle Hinderungsgründe wie Ortslagen oder verkehrsreiche Straßen akzeptierte die EU-Kommission schon unter der alten Öko-Verordnung nicht als Ausnahme. Nur widrige Witterung, Bodenverhältnisse und amtlich festgestellte Tierseuchen, also zeitweise Ausnahmen, werden zukünftig akzeptiert werden. Öko-Betrieben ohne Weidegang sei geraten, schon während des laufenden langwierigen  EU-Verfahrens Weideflächen einzurichten.

100 Prozent Öko-Fütterung gilt nun auch für adulte Schweine und Legehennen, was heißt das?

Öko-Mastschweine ab 35 kg und Öko-Legehennen über 18 Wochen dürfen nicht mehr bis zu fünf Prozent konventionelle Mais- oder Kartoffeleiweiße erhalten. Mastgeflügel gilt nach deutscher Auslegung hingegen immer als Jungtier und darf die fünf Prozent weiter bekommen. Dennoch werden Öko-Eiweißfuttermittel nun noch knapper und teurer werden. Außerdem haben wir zu wenig hochwertige Aminosäuren in den meisten Öko-Eiweißfuttermitteln, was zu Luxuskonsum zwingt. Die Fütterung der Öko-Tiere ist also eine große Herausforderung, die die Betriebe mit ihrem Futtermittellieferanten langfristig klären sollten.

Was bedeutet das neue EU-Ökorecht für das Ziel 20 Prozent oder 30 Prozent Ökolandbau?

Das wird mit dem neuen Öko-Recht deutlich schwieriger werden. Nicht die anhaltend wachsende Öko-Nachfrage ist in Deutschland das Haupthindernis für 20 Prozent oder mehr Ökolandbau, sondern der gesetzliche Rahmen. Und die neue Agrarförderpolitik macht es absehbar auch nicht leichter.

Jennifer Shuler/ red